1. bisherige UnternehmensMitbestimmung großer Unternehmen in Deutschland
Am Anfang dieser Einführung steht auch deshalb die Mitbestimmung in Deutschland,
weil sie im internationalen Vergleich weitgehend ist.
Während für die betriebliche Mitbestimmung der Beschäftigten der Betriebsrat zentral ist,
ist es für die Unternehmensmitbestimmung der Aufsichtsrat. Im Aufsichtsrat sind Anteilseignern und Beschäftigte vertreten.
Der Aufsichtsrat wählt und kontrolliert den Vorstand (AktG §84, §111). Er prüft auch den
Jahresabschluss eines Unternehmens (AktG §171).
Der Aufsichtsrat kann Geschäfte definieren, bei denen vor der Durchführung durch den Vorstand die Zustimmung
des Aufsichtsrats nötig ist.
Eine Ablehnung durch den Aufsichtsrat kann aber auf Antrag des Vorstands durch eine Entscheidung der
Hauptversammlung eines Unternehmens umgangen werden (AktG §111).
Aufsichtsräte gibt es nicht nur bei Aktiengesellschaften (AG), sondern auch bei GmbHs und Genossenschaften.
1.1 Mitbestimmungsgesetz von 1976
Dieses Gesetz gilt für Unternehmen mit über 2.000 Beschäftigten. Die Beschäftigten haben hier zwar oberflächlich betrachtet genauso viele Plätze im Aufsichtsrat wie die Anteilseigner; allerdings sind die besonders bevorzugten leitenden Angestellten gesondert zu betrachten. Die Benachteiligung der überwältigenden Mehrheit der Beschäftigten ergibt sich durch:
- Eine der Personen, die von den Beschäftigten in den Aufsichtsrat gewählt werden, wird von den leitenden Angestellten vorgeschlagen: über eine Wahlliste, die nur 2 Personen hat. (Und die leitenden Angestellten haben jeweils 2 Stimmen bei der Aufstellung dieser Liste.) [1]
- Gibt es bei einer Abstimmung Stimmengleichheit, so hat die Person, die den Aufsichtsratsvorsitz hat, bei einer wiederholten Abstimmung zwei Stimmen (MitbestG § 29). Dies benachteiligt die Beschäftigten, da die Anteilseigner diese Person alleine wählen können: Wenn es im 1. Durchgang bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzes keine 2/3-Mehrheit gibt, dann entscheiden im 2. Durchgang die Anteilseigner alleine mit einfacher Mehrheit (MitbestG § 27). Somit können die Anteilseigner alleine Entscheidungen fällen, z.B. alleine den Unternehmens-Vorstand wählen (dieser wird gemäß MitbestG § 31 (3) vom Aufsichtsrat gewählt "mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder").
Diese Nachteile gibt es nicht bei der Montanmitbestimmung.
1.2 Montanmitbestimmung
Die Montanmitbestimmung gilt für Unternehmen der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie und des Bergbaus mit über 1000 Beschäftigten. Sie hat folgende zentrale Regelung:
Im Aufsichtsrat haben Anteilseigner und Beschäftigte gleich viele Stimmen, zusätzlich wird von beiden Gruppen gemeinsam eine "neutrale" Person gewählt.
Weitere Regelungen:
- Von beiden Gruppen wird je eine Person in den Aufsichtsrat gewählt, die bestimmte Posten oder Tätigkeiten nicht hat oder hatte (bezogen auf Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Arbeitsverhältnis).
- Ein Teil der Aufsichtsratsmitglieder der Beschäftigten muss gewählt werden aus Vorschlägen von Gewerkschaften (ist beim Gesetz von 1976 auch so).
- Die "neutrale" Person wird laut Gesetz nicht völlig neutral gewählt. Über eine Regelung, die zweimal über ein Gericht geht, können die Anteilseigner ohne die Beschäftigten entscheiden.[2] In der Praxis hat dies offenbar keine große Bedeutung.
Es wäre zwar eine Verbesserung, wenn die Montan-Mitbestimmung oder etwas ähnliches auf alle Unternehmens-Felder ausgeweitet würde und somit das Gesetz von 1976 ersetzen würde. Die Montanmitbestimmung hat aber auch Schwächen, diese werden in den Abschnitten 2. und 3. erkennbar.
2. Vergleich: Montanmitbestimmung ↔ dritte Gruppe während der Einführungsphase
Die Montanmitbestimmung ist für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) das Vorbild für die Weiterentwicklung der Mitbestimmung bei anderen Unternehmens-Bereichen (also auch für Änderungen des Mitbestimmungsgesetzes von 1976): "DGB und Gewerkschaften betrachten die Montanmitbestimmung auch weiterhin als eine Blaupause für die Weiterentwicklung des Mitbestimmungsgesetzes."[3] Das macht einen Vergleich zwischen Montanmitbestimmung und einer Mitbestimmung mit 3 Gruppen umso naheliegender.
Bei einer Mitbestimmung mit 3 Gruppen kommt leicht der Gedanke, dass alle 3 Gruppen ein Drittel der Stimmen haben könnten. Dies wäre zwar oft sinnvoll, dürfte vielen aber zunächst einmal als ein unrealistisches Ziel erscheinen. Deshalb sollte gerade für die Einführungsphase einer 3-Gruppen-Mitbestimmung eine bescheidene Variante näher betrachtet werden: 50% der Stimmen für die Anteilseigner und zusammen 50% für Beschäftigte und 3. Gruppe; bei Unternehmen mit vielen Beschäftigten könnten die Stimmen der 3. Gruppe auf 2 Stimmen beschränkt sein. Ergänzend könnte es eine zusätzliche neutrale Person geben, die von den bisherigen Mitgliedern eines Aufsichtsrats hinzugewählt wird mit mindestens der Hälfte der Stimmen in allen 3 Gruppen.
Auch bei dieser bescheidenen Variante einer 3-Gruppen-Mitbestimmung sind schon Vorteile gegenüber der Montanmitbestimmung zu erkennen:
- Gesellschaftliche Interessen, die im Konflikt "Anteilseigner gegen Beschäftigte" nur nachrangige Bedeutung haben, können mit einer 3. Gruppe gestärkt werden.
- Die Größe, ab der die Mitbestimmung in einem Unternehmen eingeführt wird, hängt nicht nur von einer Mindestzahl von Beschäftigten ab, sondern kann alternativ auch von finanziellen Mindestwerten abhängen. Diese Mitbestimmung kann also auch bei Unternehmen angewandt werden, die bei großer Finanzkraft nur wenige Beschäftigte haben (näheres siehe in 3.b, siehe ergänzend letzten Punkt in 4.2).
Die gesetzliche Einführung dieser bescheidenen 3-Gruppen-Mitbestimmung dürfte leichter sein, als die Montanmitbestimmung auf alle Unternehmensbereiche auszuweiten. Denn nicht alle, die die Macht der Anteilseigner verringern wollen, wollen dies allein über eine Stärkung der Beschäftigten erreichen; sei es, weil sie Vorbehalte haben gegen einen entsprechend starken Machtgewinn von Gewerkschaften, oder weil ihnen die Beteiligung anderer Interessengruppen wichtig ist, oder weil sie Mitbestimmung auch bei finanzstarken Unternehmen mit wenigen Beschäftigten für nötig halten.
Zugleich haben die Beschäftigten bei dieser bescheidenen 3-Gruppen-Mitbestimmung mehr Einfluss als beim Mitbestimmungsgesetz von 1976 (trotz ihres geringeren Stimmenanteils), denn die Anteilseigner können nicht alleine entscheiden.
Diesen größeren Einfluss der Beschäftigten gibt es zumindest dann, wenn bei der 3. Gruppe keine Mitglieder Stimmrecht haben, für die grundsätzlich die Interessen der Anteilseigner entscheidend sind. Wobei die Wahrscheinlichkeit solcher Mitglieder gering gehalten werden kann mit Regelungen, die je nach konkreter Ausgestaltung der 3. Gruppe unterschiedlich sein können.
Bei den Erläuterungen oben wird davon ausgegangen, dass die 3. Gruppe gewählt wird ohne Abhängigkeit von den anderen beiden Gruppen; was nicht bei allen Mitbestimmungsvorschlägen aus 4.3 der Fall ist.
3. Vorteile eines Aufsichtsrats mit mindestens einer dritten Gruppe
Vorbemerkung: In den folgenden Abschnitten wird die Bezeichnung „Aufsichtsrat“ auch auf Mitbestimmungs-Ansätze bezogen, wo ein anders bezeichnetes Gremium vergleichbare Aufgaben hat.
Wenn neben Beschäftigten und Anteilseignern mindestens eine 3. Gruppe hinzukommt (sei es allgemein für die Gesellschaft oder speziell für Umweltschutz, Konsumenten, …), dann können folgende Vorteile erreicht werden:
a) Gesellschaftliche Interessen, die im Konflikt "Anteilseigner gegen Beschäftigte" nur nachrangige Bedeutung haben, werden bei der Montanmitbestimmung nicht angemessen berücksichtigt. Mit einer 3. Gruppe kann das korrigiert werden.
b) Unternehmens-Größe gemäß finanziellen Werten: Bei der Größe eines Unternehmens, ab der eine Mitbestimmung angewandt wird, sollte es nicht nur um eine Mindestzahl an Beschäftigten gehen, sondern alternativ auch um finanzielle Mindestwerte (wie Aktienwert oder sonstiger Verkaufswert, Umsatz, Bilanzsumme, für Kunden verwaltetes Vermögen). Denn ein Unternehmen mit wenigen (gut verdienenden) Beschäftigten und großer Finanzkraft kann einen großen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Dies betrifft Anliegen wie z.B. Umweltschutz, Bildung und soziale Grundversorgung. Dies betrifft die große Anzahl schlechter verdienender Beschäftigter in anderen Unternehmen, und zwar auch wenn ein finanzkräftiges Unternehmen an diesen anderen Unternehmen keine Anteile hat. Solche finanzstarken Unternehmen mit wenigen Beschäftigten können z.B. sein:
- Holdings
- Fonds-Gesellschaften / Investment-Gesellschaften
- Banken
- Unternehmen mit großem Landbesitz
- Unternehmen mit hochautomatisierten Fabriken.
Auch bei Stiftungen ist eine Mitbestimmung entsprechend finanzieller Mindestwerte sinnvoll.
c) Die Anteilseigner können im Aufsichtsrat in der Minderheit
sein (zum Rechtlichen siehe auch in 5. zu Eigentum + Grundgesetz
und beim Text von Onur Ocak in 4.3.j).
Wenn die Anteilseigner im Aufsichtsrat z.B.
ein Drittel der Stimmen hätten und keine andere Gruppe hätte
mehr, dann wäre ihre Position immer noch stark; da sie aber wie
alle anderen Gruppen überstimmt werden können, wird der
Druck und die Bereitschaft zur Konsenssuche deutlich erhöht.
Eine
solche Minderheitsposition der Anteilseigner ist auch dann
besonders bedeutend, wenn Anteilseigner ihre finanziellen
Mittel auf kriminelle oder menschenrechtlich fragwürdige Weise
erlangt haben oder verwenden. Beispiele hierzu wären
Geldwäsche, preistreibende Spekulation mit Nahrungsmitteln,
Nutzung von Arbeitskräften bei miesen Arbeits- und
Lohnbedingungen.
d) Beschäftigte in Hochtechnologie-Unternehmen: Eine 3. Gruppe ist als Gegengewicht hilfreich, wenn es bei solchen Unternehmen viele Beschäftigte gibt,
- die sich als Elite sehen, die weiß was für den Rest der Menschheit gut ist,
- oder denen die meisten Menschen gleichgültig sind.
e) Es kann mehr Aufmerksamkeit für Demokratie mit Bezug auf große Unternehmen erzeugt werden, wenn mindestens eine 3. Gruppe beteiligt ist. Denn:
- mehr Interessengruppen bemühen sich, Vertreter:innen ihrer Interessen in den Aufsichtsrat eines Unternehmens zu bekommen;
- das Verfahren ist interessanter als die bisherige Mitbestimmung, was die Berichterstattung über die Medien erhöht;
- auch bei den neuen Wählern und Wählerinnen gibt es mehr Aufmerksamkeit.
f) Lobbyismus: Die Interessen hinter dem Lobbyismus eines Unternehmens sind breiter, dadurch eher ausgewogener.
g) Mit mindestens einer 3. Gruppe gibt es eine größere Vielfalt bei denen, die Macht in einem Unternehmen haben. Dadurch ist eine größere Offenheit in einem Unternehmen zu erwarten für die Belange von nicht oder nicht direkt im Aufsichtsrat vertretenen Gruppen. Auf diese Gruppen kann flexibel außerhalb der gesetzlichen Unternehmensmitbestimmung in jedem Unternehmen so eingegangen werden, wie es speziell für ein bestimmtes Unternehmen passt.
4. Ansätze mit mindestens 3 Gruppen
4.1 Übersicht genannter zusätzlicher Gruppen, Interessen, Organisationen
Zum einen kann es eine umfassende 3. Gruppe geben, unter verschiedenen Bezeichnungen:
- Vertreter:innen allgemeiner / öffentlicher Interessen, Öffentlichkeit, Gesellschaft, Zivilgesellschaft, Bevölkerung, Allgemeinheit.
Zum anderen werden genauere Gruppen, Interessen und Organisationen genannt:
- Umweltschutz(-organisationen)
- von Rohstoffgewinnung und anderen Produktionsauswirkungen Betroffene
- in der Umgebung Lebende
- Parlamente (Kommune, Land, Wirtschafts-), Staat
- parteinahe Gruppierungen
- Verbraucher:innen(-organisationen), Konsumenten, Kunden
- Erwerbslose und prekär Beschäftigte
- Beschäftigte die bei Tochterunternehmen im Ausland beschäftigt sind
- Gender-Beauftragte
- Steuergerechtigkeit
- Lieferanten
- Kapitalgeber (neben den Anteilseignern gibt es ja noch andere; deren Berücksichtigung geht im konkreten Vorschlag zu Lasten der Anteilseigner)
4.2 Kriterien zur Bewertung verschiedener Ansätze
- Wie umfangreich werden die in 2. und 3. genannten Vorteile erreicht?
- Ist eine dritte Gruppe unabhängig von Anteilseignern und Beschäftigten?
- In wieweit ist ein Ansatz für eine Nutzung auf internationaler Ebene geeignet tauglich?
- Wie und von wem wird über die Verwendung des Unternehmensgewinns entschieden?
- Bekommt der Aufsichtsrat zusätzliche Rechte? Welche?
- Wie leicht oder schwer ist ein Ansatz im bestehenden rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmen durchzusetzen?
- Ein spezielleres Kriterium: Können alle Aufsichtsrats-Mitglieder der Anteilseigner zusammen mit jenen Mitgliedern der Beschäftigten, welche nur von den Beschäftigten des betreffenden Unternehmens gewählt werden, im Aufsichtsrat in der Minderheit sein oder zumindest nicht die Mehrheit haben? So etwas kann aus meiner Sicht sinnvoll sein, wenn es zusätzlich Mitglieder der Beschäftigten gibt, die auch von Beschäftigten von außerhalb des Unternehmens gewählt werden. Solche externen Aufsichtsrats-Mitglieder, die z.B. über Gewerkschaftslisten gewählt werden können, können hilfreich sein für eine Solidarität, die über ein einzelnes Unternehmen hinausgeht. Außerdem können solche externen Mitglider der Beschäftigten hilfreich sein als Gegengewicht z.B. bei den in 3.b genannten „Unternehmen mit wenigen (gut verdienenden) Beschäftigten und großer Finanzkraft“ sowie bei den in 3.d genannten Hochtechnologie-Unternehmen.
4.3 Übersicht von Ansätzen
a) 1970-75 zur Einführung einer Europäischen Aktiengesellschaft:
- 1970 veröffentlichte Gerard Lyon-Caen eine Studie im Auftrag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit dem Titel
"Beitrag zu den Möglichkeiten der Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft". Daraus
zwei seiner Vorschläge (Seiten 46-47):
„b) Es würde aktuellen Tendenzen entsprechen, wenn man das allgemeine Interesse, die Allgemeinheit der Verbraucher, nicht von dem Aufsichtsorgan fernhalten würde (…). Um die Konfrontation der Vertreter der Aktionäre und der Vertreter der Belegschaft zu vermeiden, würde eine das öffentliche Interesse vertretende Delegation in den Rat eingeführt, was schematisch ergeben würde: ein Drittel für die Aktionäre, ein Drittel für die Arbeitnehmer, ein Drittel für die Vertreter allgemeiner Interessen. …
c) Man kann sich auch vorstellen, daß die Vertreter der Aktionäre und der Belegschaft in einem bestimmten Verhältnis unabhängige Sachverständige nach der deutschen Methode hinziehen, was den Abstimmungen größere Geschmeidigkeit verleihen würde: 40% Arbeitnehmer, 40% Aktionäre, 20% Sachverständige (10% von den Aktionären, 10% von den Arbeitnehmern benannt). ...“
Das erwähnte „nach der deutschen Methode“ bezieht sich auf die Montanmitbestimmung.[4] - Ebenfalls 1970 gibt es einen Beschluss des EBFG
(Europäischer Bund der Freien Gewerkschaften in der Gemeinschaft)
zur Mitbestimmung mit 3 Gruppen
(siehe Text in Zeitschrift „Das Mitbestimmungsgespräch“ von 1970, Seiten 94-95):
„Der Exekutivausschuß des Europäischen Bundes der Freien Gewerkschaften hat in seiner letzten Sitzung eine gemeinsame Konzeption für seine Forderungen zur Mitwirkung der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft verabschiedet.
… Der Aufsichtsrat der Europäischen Aktiengesellschaft setzt sich zu drei gleichen Teilen aus sachkundigen Personen zusammen, die wie folgt gewählt werden:a) für ein Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrats werden Kandidatenvorschläge durch die Hauptversammlung der Europäischen Aktiengesellschaft an das Wahlorgan eingereicht;
b) für ein Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrats werden Kandidatenvorschläge durch die Gewerkschaften auf Gemeinschaftsebene an das Wahlorgan eingereicht;
c) ein Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrats werden durch Kooptation zugewählt.
… Nach erfolgter Wahl der zwei Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrats wählen diese das restliche Drittel … im Wege eines Kooptationsverfahrens zu.“
-
Im Buch „Mitbestimmung, Wirtschaftsordnung, Grundgesetz“ (MWG)[5] werden außerdem ein Beschluss vom Europäischen Parlament 1974 und ein Vorschlag der Europäischen Kommission 1975 genannt.
[MWG Seite 40:]
“Das Europäische Parlament hat sich im Juli 1974 mit sehr breiter Mehrheit für eine Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach folgendem Modell ausgesprochen:
- 1/3 Vertreter der Aktionäre,
- 1/3 Vertreter der Arbeitnehmer,
- 1/3 von beiden Gruppen hinzugewählte unabhängige Mitglieder, die “allgemeine Interessen” vertreten.
Die Grundlinien dieses Modells werden vom Europäischen Gewerkschaftsbund bereits seit 1970 vertreten.
Das Europäische Parlament hat dieses Modell nach vierjährigen eingehenden Ausschußberatungen und einer zweitägigen ausführlichen Plenardebatte ausgeformt. Es fand die Unterstützung der sozialistischen und der christlich-demokratischen Fraktion und zahlreicher Mitglieder anderer Fraktionen.
Die Kommission hat dieses Modell ihrem geänderten Vorschlag vom 13. Mai 1975 zugrunde gelegt (abgedruckt als Sonderbeilage 4/75 zum Bulletin der EG).”
Dies wurde trotzdem nicht Gesetz, da der „Rat der Gemeinschaften“ (Europäischer Rat) dies nicht im Konsens angenommen hat. Erst 2001 wurde eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) beschlossen, allerdings mit anderen Regelungen.[6][MWG Seite 41:]
„Die Mitglieder des letzten Drittels werden von den Vertretern der Aktionäre und den Vertretern der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat mit Zweidrittelmehrheit aus Wahlvorschlägen gewählt, die nur die Hauptversammlung, der Europäische Betriebsrat und der Vorstand einreichen dürfen.
Läßt sich über die Wahl keine Einigkeit erzielen, entscheidet eine Schiedsstelle, die aus je einem von den Vertretern der Aktionäre und der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gewählten Beisitzer und einem von diesen Beisitzern gemeinsam bestellten Vorsitzenden besteht. Können sich die Beisitzer auf keinen Vorsitzenden einigen, bestellt diesen der Präsident des für die Gesellschaft zuständigen Gerichts.
Die hinzugewählten Mitglieder des letzten Drittels sollen „allgemeine Interessen“ repräsentieren. Hierdurch sollen zusätzlich zu den Interessen der direkt betroffenen Aktionäre und Arbeitnehmer auch die sonstigen Interessen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der europäischen Gesellschaft einbezogen werden. Diese Konzeption muß zusammen mit zwei weiteren Forderungen gesehen werden, wonach diese Vertreter nicht direkt abhängig von den Aktionären, den Arbeitnehmern oder deren jeweiligen Organisationen sein dürfen und über „die notwendige Kenntnis und Erfahrung“ verfügen müssen. Zugrunde liegt der Gedanke, daß der Aufsichtsrat mit Hilfe der Vertreter des letzten Drittels Entscheidungen treffen kann, bei denen nach Möglichkeit alle Interessen, die von der Tätigkeit der europäischen Gesellschaft berührt werden, berücksichtigt werden, bei denen also die besondere Verantwortung des Unternehmens gegenüber diesen Interessen anerkannt wird.“
b) 1975-78, Bullock-Kommission in Großbritannien: System „2x + y“
Zum Vorschlag der Bullock-Kommission („Report of the committee of inquiry on industrial democracy“) schrieb Thomas Piketty im Buch „Kapital und Ideologie“ (2020) auf den Seiten 637-40:
"Ein besonders interessanter Fall ist der sogenannte Vorschlag „2x + y“, der in Großbritannien
1977-1978 diskutiert wurde. Arbeitsminister Harold Wilson hatte 1975 eine aus Juristen, Gewerkschaftsvertretern
und Arbeitgebern bestehende Kommission unter dem Vorsitz des Historikers Alan Bullock damit beauftragt,
einen Bericht zu der Frage der Mitbestimmung zu erarbeiten.
…
Jedenfalls empfahl die Bullock-Kommission 1977 der britischen Labour-Regierung das sogenannte System „2x + y“.
Es sah vor, dass in allen Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten die Aktionäre und die Arbeitnehmer
jeweils eine Anzahl x von Mitgliedern des Verwaltungsrats wählen sollten. Der Staat komplettierte das Bild,
indem er eine Anzahl y von unabhängigen Verwaltungsratsmitgliedern ernannte, bei Stimmengleichheit zwischen
den Aktionärsvertretern und den Arbeitnehmervertretern gaben die Stimmen der vom Staat ausgewählten Vertreter
den Ausschlag. So konnten beispielsweise in einem Verwaltungsrat 5 Vertreter der Aktionäre, 5 Vertreter der
Arbeitnehmer und 2 staatliche Vertreter sitzen. Die Betriebsverfassungen konnten bei x und y variieren,
aber nichts daran ändern, dass allein das Board of Directors (wie der Verwaltungsrat in angelsächsischen
Unternehmen heißt) die wichtigsten Entscheidungen trifft (Ernennung und Abberufung der Unternehmensführung,
Genehmigung des Jahresabschlusses, Verteilung von Dividenden etc.). Nicht überraschend liefen die Aktionäre
und die Londoner City gegen diesen Vorschlag Sturm, weil er die vertrauten Vorstellungen des Privatkapitalismus
auf den Kopf stellte und potenziell noch über die deutsche und schwedische Mitbestimmung hinausging. Die
Gewerkschafter und die Mehrheit der Labour Party sprachen sich nachdrücklich dafür aus, ein anderer Kompromiss
zeichnete sich nicht ab. [Fußnote: Gewerkschafter und Arbeitgeber vertraten in der Bullock-Kommission gegensätzliche
Positionen, und letzten Endes gaben die Stimmen der Juristen und Hochschullehrer den Ausschlag zugunsten der
endgültigen Lösung.] Im Herbst 1978 erwog der neue Labour-Premierminister James Callaghan, der 1976
auf Harold Wilson gefolgt war, ernsthaft Neuwahlen, alle Umfragen deuteten auf einen Wahlsieg von Labour hin.
Schließlich entschied er, noch ein Jahr zu warten. Im Winter of Discontent 1978-1979 lähmten zahlreiche
soziale Konflikte das Land, während gleichzeitig die Inflation explodierte. Bei den Wahlen 1979 siegten
schließlich die Tories unter Margaret Thatcher, und das Vorhaben, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer
zu regeln, wurde endgültig begraben.
…
Generell lautet eine der wichtigsten Fragen, inwieweit es möglich ist, die automatische Mehrheit der Aktionäre,
wie sie die deutsche Mitbestimmungsregelung vorsieht, zu überwinden. Eine Lösung ist der Vorschlag „2x + y“
der Bullock-Kommission, aber dabei erhält der Staat erhebliches Gewicht, was möglicherweise bei sehr großen
Unternehmen funktionieren kann (es läuft darauf hinaus, dass lokale und nationale öffentliche Körperschaften
die Rolle von Minderheitsaktionären übernehmen), aber Probleme aufwerfen dürfte, wenn man ein solches System
auf Hunderttausende kleiner und mittlerer Unternehmen anwenden wollte. [Fußnote: Außer wenn man die Mechanismen
und Verfahren präzisierte, wie dort staatliche Verwaltungsräte ernannt werden sollten, und man sich versicherte,
dass das System befriedigend funktionierte (was nicht prinzipiell unmöglich war, aber eine konkrete historische
Erfahrung verlangt hätte).] Generell ist eine wichtige Einschränkung des deutschen Systems, dass es nur für
große Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gilt, während die Mitbestimmung der nordeuropäischen Länder
den Vorzug hat, dass sie in viel mehr Unternehmen zur Anwendung kommt (je nach Land mit über 30, 35 oder 50
Beschäftigten). In Anbetracht der Tatsache, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer in kleinen Unternehmen arbeitet,
ist es wichtig, Regelungen zu haben, die in der einen oder anderen Form für alle gelten.
Abgesehen von dem Vorschlag „2x + y“ könnte eine komplementäre Lösung darin bestehen, den Aktienbesitz
von Arbeitnehmern zu fördern. ..."
Im Originaltext zum System „2x + y“ ist zu sehen, dass die dritte Gruppe (das "y") von den anderen beiden Gruppen hinzugewählt wird:[7]
- "... the boards should be reconstituted to be composed of three elements – an equal number of employee and shareholder representatives plus a third group of co-opted directors. These additional directors should: (a) be co-opted with the agreement of a majority of each of the other two groups – the employee and the shareholder representatives; ..."
- "... a third co-opted group ... The formal task of co-opting the directors will fall, of course, to the prospective directors – the employee and shareholder representatives – who will sit ultimately on the reconstituted board."
c) 1988, William M. Evan und R. Edward Freeman:
“A Stakeholder Theory of the Modern Corporation: Kantian Capitalism” (in “Ethical theory and business” (Beauchamps / Bowie)), Seiten 100-105 (übersetzt):
„Prinzip der Unternehmensrechte („Principle of Corporate Rights“ PCR): Das Unternehmen und seine Manager dürfen nicht
die legitimen Rechte anderer verletzen, ihre Zukunft selbst zu bestimmen.
Prinzip der Unternehmenswirkungen („Principle of Corporate Effects“ PCE): Das Unternehmen und seine Manager
sind für die Auswirkungen ihrer Handlungen auf andere verantwortlich.
…
Freeman und Reed (1983) unterscheiden zwei Bedeutungen von Stakeholdern (Interessenvertretern). Die „enge Definition“
umfasst diejenigen Gruppen, die für das Überleben und den Erfolg des Unternehmens von
entscheidender Bedeutung sind. Die „weite Definition“ umfasst jede Gruppe oder Einzelperson, die das
Unternehmen beeinflussen kann oder von diesem beeinflusst wird. Während die weite Definition
eher mit (PCE) und (PCR) übereinstimmt, wirft sie zu viele schwierige Fragen auf. Wir werden mit einem
bescheideneren Ziel beginnen: eine Stakeholder-Theorie unter Verwendung der engen Definition zu artikulieren.
…
1. Das Stakeholder Board of Directors. Wir schlagen vor, dass jedes Unternehmen einer bestimmten Größe,
die noch zu bestimmen ist, aber sicherlich alle, die öffentlich gehandelt werden oder von der Größe der
öffentlich gehandelten Unternehmen sind, ein Board of Directors bilden, das sich aus Vertretern von
fünf Stakeholder-Gruppen zusammensetzt, darunter Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Aktionäre und Mitglieder
der lokalen Gemeinschaft, sowie aus einem Vertreter des Unternehmens, den wir als "metaphysischen Direktor"
bezeichnen könnten, da er oder sie für die metaphysische Einheit, die "das Unternehmen" ist,
verantwortlich wäre. Ob jeder Vertreter das gleiche Stimmrecht hat oder nicht, kann durch Experimentieren entschieden werden;
…
Daher würden die Vertreter jeder Stakeholder-Gruppe aus einer "Stakeholder-Versammlung" gewählt,
die zunächst zusammenkommen würde, um Arbeitsregeln, Chartas usw. zu verabschieden, und deren
einziger Zweck darin bestünde, Vertreter in Unternehmens-Boards zu wählen und abzuberufen.
…
Jede Stakeholder-Gruppe hätte das Recht, Vertreter zu wählen und
Vertreter in Boards abzuberufen. Ob dies auf Unternehmens-, Branchen- oder Länderbasis geschieht,
ist Gegenstand für weitere Diskussionen.
…
Das Management hätte das Recht, seiner Treuhandpflicht nachzukommen, wie sie vom Board und den Gerichten
ausgelegt und eingeschränkt wird, …“
d) 1989, Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion der Grünen
zum
„Ausbau der Mitbestimmung im Unternehmen und zur ökologischen
Unternehmensverfassung“. Die folgenden Zitate hierzu sind aus
dem Text „Integration des Umweltinteresses und Stärkung
der Belegschaftsinteressen in der Unternehmensverfassung – die
Reformvorstellungen der Grünen“ (von Eckhard
Stratmann-Mertens, gekürzte Fassung eines Textes von
1991[8]):
„[Seite
2:] Denn zu offenkundig war, daß allein eine stärkere
Berücksichtigung von Beschäftigteninteressen bei der
Unternehmensmitbestimmung noch keine Gewähr für eine
ökologische Unternehmenspolitik ist. Allzu oft, wenn nicht in
der Regel, gehen Kapital und Arbeit eine unheilige Allianz gegen
Umweltbelange ein, wenn es zum Konflikt zwischen Gewinn- bzw.
Einkommensinteressen einerseits und Umweltinteressen andererseits
kommt. …
[Seite 4:] Der Gesetzentwurf soll sowohl das
Montan-Mitbestimmungsgesetz als auch das Mitbestimmungsgesetz von
1976 ablösen. Seine Gültigkeit erstreckt sich auf alle
Großunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft,
GmbH oder Genossenschaft ab einer Größenordnung von 1000
Beschäftigten.
…
Hinsichtlich der
Zusammensetzung des Aufsichtsrats werden zwei Alternativen
vorgestellt:
Das überparitätische Modell geht
von 20 Mitgliedern des AR aus (ab einer Beschäftigung von
10.000), die jeweils zur Hälfte von der Anteilseigner- bzw. der
Beschäftigtenseite gewählt werden. Auf der
Beschäftigtenbank ist kein leitender Angestellter qua Recht
vertreten; das Entsendungsrecht der Gewerkschaften entfällt.
[Fußnote 8 hierzu: Im Verlauf der Beratungen des Entwurfes
kristallisierte sich als Tendenz heraus, zumindest ein alleiniges
Vorschlagsrecht der Gewerkschaften und ihrer Spitzenorganisationen
für eine Minderzahl an außerbetrieblichen
GewerkschaftsvertreterInnen vorzusehen.]
Von den zehn
VertreterInnen beider Seiten müssen jeweils zwei
SachwalterInnen von Umweltinteressen sein. Für die Wählbarkeit
der UmweltsachwalterInnen gelten besondere Anforderungen: Sie müssen
Erfahrungen im Umweltschutzbereich mitbringen oder sich durch Wort
und Tat für den Umweltschutz eingesetzt haben; sie dürfen
zu den Vereinigungen der Anteilseigner bzw. der Beschäftigten
und zu dem Unternehmen keine vertretungsmäßigen,
arbeits-/dienstrechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen
unterhalten.
Die VertreterInnen der Beschäftigten wählen
den/die Aufsichtsratsvorsitzende/n wenn er/sie nicht im ersten
Wahlgang mit einer Zweidrittelmehrheit aller Mitglieder des AR
gewählt wird. Dies entspricht genau einer Umkehrung der
Regelung nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976. Zur Auflösung
einer Pattsituation im AR erhält der/die
Aufsichtsratsvorsitzende doppeltes Stimmrecht.
Das paritätische
Modell der Alternative B unterscheidet sich von dem
überparitätischen Modell lediglich dadurch, daß
zusätzlich zu den jeweils zehn VertreterInnen beider Seiten ein
weiteres Mitglied hinzukommt (also insg. 21 Mitglieder im AR; dieses
Mitglied korrespondiert [mit] der neutralen Person nach dem
Montan-Mitbestimmungsgesetz). Das weitere Mitglied muß ein/e
SachwalterIn von Umweltinteressen sein und mit der Mehrheit der
Stimmen der übrigen vier UmweltsachwalterInnnen gewählt
werden. Der/die AR-Vorsitzende wird mit einfacher Mehrheit gewählt.
Wegen der ungeraden Mitgliederzahl ist eine Regelung zur
Pattauflösung nicht erforderlich.
Die Wahl der
VertreterInnen der Anteilseigner findet durch die Versammlung der
Anteilseigner statt; die Wahl der VertreterInnen der Beschäftigten
durch die Betriebsrätevollversammlung, bei Unternehmen bis zu
10.000 Beschäftigten fakultativ durch Direktwahl der
Beschäftigten. Die in ausländischen Zweigstellen und
Tochtergesellschaften deutscher Großunternehmen tätigen
Beschäftigten entsenden anteilig Personen in die
Betriebsrätevollversammlung. Frauen und Männer sollen im
AR entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis im
Unternehmen vertreten sein.
Vorschlagsberechtigt für die
Wahl der AR-Mitglieder beider Seiten sind neben den
AnteilseignerInnen bzw. den Gewerkschaften im Betrieb, den einzelnen
Betriebsräten oder einem zwanzigstel der Beschäftigten des
Unternehmens auch Umwelt- und Verbraucherverbände,
Kommunalparlamente am Sitz des Unternehmens und einzelne Fraktionen
dieser Parlamente.
…
[Seite 6:] Das
Letztentscheidungsrecht der Anteilseigner (nach §111
Aktiengesetz) wird ersatzlos gestrichen, um ein Aushebeln von
AR-Entscheidungen durch die Kapitaleigner auszuschließen. Im
Falle unterschiedlicher Beschlüsse von Anteilseignerversammlung
und AR ist die Entscheidung des AR maßgeblich, mit Ausnahme
von Entscheidungen der Anteilseignerversammlung zu der Verwendung
des Bilanzgewinns, Satzungsänderungen und Kapitalerhöhungen/
Kapitalherabsetzungen.
Der Einfluss des AR gegenüber dem
Vorstand wird erheblich ausgeweitet durch die Erweiterung seiner
Zustimmungsrechte: Auf Antrag von einem Drittel der AR-Mitglieder
kann jedes einzelne Geschäft des Vorstands für
zustimmungspflichtig erklärt werden.
…
Die
Stellung der UmweltsachwalterInnen beider Seiten ist besonders
abgesichert: Qua Gesetz hat für sie „das Interesse an der
Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen …
unbedingten Vorrang“ vor den Gewinninteressen des Unternehmens
(§ 25). Infolgedessen können sie auf Antrag nur von der
Umweltstrafkammer des zuständigen Landgerichts amtsenthoben
werden.
…
[Seite 7-8:] In allen umweltrelevanten Unternehmen wird auf der
Ebene des Unternehmensvorstandes die Institution des/der Umweltbeauftragten
geschaffen. … Sie werden von der obersten Landesbehörde bestellt,
die für die Gewerbeaufsicht des Unternehmens zuständig ist. … Das
Vorschlagsrecht zur Bestellung haben auch Umweltverbände, Gewerkschaften
und Betriebsräte.
…
[Seite 14:] Ursprünglich sollten
nach dem Willen der GRÜNEN Bundestagsfraktion (und des Autors)
die Umwelt- und VerbraucherInnenverbände eigene VertreterInnen
in den AR der Unternehmen entsenden, um auf diese Weise das
Umweltinteresse in die Unternehmensverfassung zu integrieren (s.o.).
Im Verlaufe der Einzelberatung im Vorfeld der Inauftraggabe des
Gesetzentwurfes wurde diese Vorstellung jedoch zugunsten der
Kooptationslösung für den AR fallengelassen: Je zwei
SachverwalterInnen des Umweltinteresses werden von beiden Seiten des
AR kooptiert. Anders schien die politische Vorgabe, daß die
Position der abhängig Beschäftigten im Interessenkonflikt
mit dem Kapital durch die Umweltvertretung nicht geschwächt
werden dürfe, nicht gewährleistet werden zu
können.
…
[Seite 16:] Aufgrund ihrer
Arbeitsleistung und ihres persönlichen Risikos sollten die
Beschäftigten im Unternehmen so stark gemacht werden, daß
gegen ihren Willen das Unternehmen nicht geführt werden kann;
dies bedeutet in einem nächsten Schritt die Überparität
im AR. Der Vorschlag … einer „dritten Bank“ für
die Natur würde zwar nicht generell, aber doch in der Tendenz
darauf hinauslaufen, daß Kapital und Natur ein Bündnis
gegen die Arbeit eingehen; denn die Kompensationsmöglichkeiten,
über die das Kapital aufgrund seiner Flexibilität verfügt,
können von der Arbeit dem Faktor Natur nicht angeboten werden.
Ein Gedankenspiel: Im Fall Krupp-Rheinhausen wäre ein
Zusammenstimmen von Kapital und Natur zur Stillegung des Stahlwerkes
wahrscheinlich gewesen, da „kein Stahlwerk“
umweltverträglicher ist als ein real existierendes.“
In
diesem Text von Stratmann-Mertens wird außerdem nahegelegt,
dass das genannte überparitätische Modell eigentlich eher
paritätisch wäre, wegen der Zuständigkeit der
Anteilseignerversammlung für „Grundlagenentscheidungen“.
e) 2004, Attac,
„Diskussionen in Attac Deutschland zu einer
Alternativen Weltwirtschaftsordnung“, Seite 34:
„Die
einseitig auf die Interessen der KapitalgeberInnen bzw.
AnteilseignerInnen ausgerichteten Entscheidungsprozesse
transnationaler Konzerne (TNK) müssen überwunden werden.
Wir fordern umfassende Mitsprache und Mitbestimmung der Betroffenen
(„Stakeholder“) und ihrer InteressenvertreterInnen auf
allen Ebenen – im Unternehmen, national und international. Zu
den Stakeholdern gehören die Beschäftigten, aber auch die
in der Umgebung Lebenden, die von Rohstoffgewinnung und anderen
Produktionsauswirkungen Betroffenen und die VerbraucherInnen bzw.
entsprechende Umwelt- und soziale Organisationen.
… muss
die Rolle der Zivilgesellschaft gestärkt werden, durch
einklagbare Transparenzregeln gegenüber den TNK und durch
umfassende Mitbestimmung aller Stakeholder an den
Entscheidungsprozessen innerhalb der TNK.“
f) 2004, Joachim Beerhorst,
aus „Demokratisierung der Wirtschaft - theoretische
Desiderate und politische Erinnerung"[9].
Hier gibt es keine eigenen Ansätze zur 3. Gruppe, aber eine
Übersicht und Bewertung entsprechender Ansätze und einen
Vorschlag, wie so etwas in ein „Mehrebenenkonzept“
integriert werden könnte:
„Unter dem Eindruck der
ökologischen Krise und der lokalen und regionalen Auswirkungen
von Unternehmensentscheidungen ist zur Mitte der achtziger Jahre
kurzzeitig eine erweiterte mitbestimmungspolitische Konzeption
diskutiert worden, die sowohl mit der demokratietheoretischen,
insbesondere aber mit der antikapitalistischen Lesart von
Mitbestimmung zu verbinden wäre, von beiden aber verlangte, das
dualistische Kapital-Arbeit-Paradigma zu überarbeiten.
Ausgehend von der Kritik, dass im halbparitätischen, die
'Produktionsfaktoren' repräsentierenden Mitbestimmungsmodell
der Faktor Natur nicht vertreten sei und beide repräsentierten
Interessen - Kapital und Arbeit - dazu neigten, sich in einer Art
faktischer Produktivitäts- und Wachstumskoalition über
Umweltbelange und externe Wirkungen der einzelwirtschaftlichen
Produktionsweise hinwegzusetzen, geht es in dieser Konzeption darum,
Umwelt- und andere öffentliche Interessen institutionell in die
Unternehmensentscheidungen zu integrieren - und zwar mittels der
Einrichtung einer 'dritten Bank' im Aufsichtsrat und der Kooptation
eines Vorstandsmitglieds mit besonderem Mandat. Eine derart
erweiterte Konzeption von Mitbestimmung greift Überlegungen
wieder auf, die bereits bei Naphtali zu finden sind (in Gestalt der
drittelparitätisch zusammengesetzten wirtschaftlichen
Selbstverwaltungskörperschaften)
…
Weitgehend
unbeachtet hatte allerdings der Europäische Gewerkschaftsbund
1970 solchen Erwägungen Rechnung getragen, indem er in sein
Positionspapier zur Ausgestaltung des Gesellschaftsrechts für
eine Europäische Aktiengesellschaft die Forderung nach einem
drittelparitätisch aus Kapital-, Arbeitnehmer- und Vertretern
öffentlicher Interessen zusammengesetzten Aufsichtsrat aufnahm
und damit von der Halbparität abwich (...) - jedoch ohne
nennenswerte Resonanz in den deutschen Gewerkschaften. Ein erneuter
Vorstoß in dieser Richtung ging im Jahr 1989 von dem
Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion der Grünen zum 'Ausbau der
Mitbestimmung im Unternehmen und zur ökologischen
Unternehmensverfassung' aus
…
Zusammenfassend:
Beide Elemente - die Erweiterung des Aufsichtsrats um eine 'dritte
Bank' und die stärkere Anbindung des
[Aufsichtsrats-]Vorsitzenden an Arbeitnehmerinteressen (und
die zusätzlich, analog zum Arbeitsdirektor, vorgesehene
Bestellung eines Umweltdirektors als Vorstandsmitglied) - könnten
die Mitbestimmungspraxis, oft als Elitengeschäft, als abgehoben
und kaum um gesellschaftlich und sozial verpflichtete
Alternativkonzepte ringend wahrgenommen, neu ausrichten.
Mitbestimmung ließe sich wieder verknüpfen mit
emanzipatorischen Motiven der Arbeiterbewegung und mit dem
Partizipationsanspruch der viel beschworenen Zivilgesellschaft, die
Demokratie materialistisch erweitern.
…
Fasst man
die bis hierher vorgestellten Ansätze zusammen, so lässt
sich ein Mehrebenenkonzept umreißen: Betriebliche
Arbeitnehmerinitiativen, die Vertretung öffentlicher Belange in
Unternehmensaufsichtsräten, gestufte Wirtschafts- und
Sozialräte mit Beratungs- und Vetorechten und mobilisierende
kommunale/regionale Wirtschafts-, Struktur- und Sozialpolitik
könnten, wen es gelänge, sie durchzusetzen und miteinander
zu verbinden, die tragenden Elemente einer Demokratisierung der
Wirtschaft und damit zugleich einer Demokratisierung der Demokratie
bilden.“
g) 2007, Alex Demirović,
Buch „Demokratie in der Wirtschaft
- Positionen Probleme Perspektiven“
Auf Seite 256 steht
am Ende des Abschnitts „9.1 Zur Reform der
wirtschaftsdemokratischen Institutionen“ (als eine kritische
Bemerkung zu 2 Texten von Heinz-J. Bontrup, u.a. zu
„Wirtschaftsdemokratie statt Shareholder-Kapitalismus“[10]):
„...
die Gefahren des Betriebs- und Unternehmensegoismus. Im Sinne eines
Verallgemeinerungsprozesses, in dem sich die ArbeitnehmerInnen und
die Gewerkschaften als demokratische Kraft mit anderen sozialen
Gruppen verbinden, müßten in besonderer Weise vier
weitere Gruppen Berücksichtigung finden: die Erwerbslosen und
prekär Beschäftigten, die Konsumenten,
Umweltschutzverbände sowie schließlich die Arbeitnehmer,
die bei Tochterunternehmen im Ausland beschäftigt sind. Hier
wäre zu überlegen, daß in den Aufsichtsräten
eine dritte Bank für gesellschaftliche Gruppen eingerichtet
wird (vgl. Beerhorst 2004, 367).“
h) 2012, www.akademie-solidarische-oekonomie.de:
- Buch
"Kapitalismus und dann? Systemwandel und Perspektiven
gesellschaftlicher Transformation" (2012):
Seiten 125-6 (in 2.3 "Eigentum in einer solidarischen Ökonomie"):
"... Der Mehrwert eines Unternehmens wird nicht allein durch das eingebrachte Kapital des Unternehmers und dessen Eigenleistung geschaffen, sondern ebenso aus den Mitarbeiterleistungen und aus gesellschaftlichen Vorleistungen (Infrastrukturen, Technologien usw.). Die weiteren Investitionen für das Unternehmen werden ebenfalls aus dem gemeinsam erarbeiteten Mehrwert erbracht. Dieser Prozess führt im Zeitverlauf zu einer "Verwässerung", zu einem Werteverlust des ursprünglichen Eigenkapitalanteils und damit zu einem permanent kleiner werdenden Anteil der Eigentumsrechte ("Kapitalabschreibung") zugunsten des Anteils der Mitarbeiter oder der Fremdkapitalgeber. Mit dem Sinken der Wertanteile des ursprünglich eingebrachten Kapitals wächst das Recht der Mitbestimmung und der Gewinnbeteiligung der anderen am Unternehmen Beteiligten in natürlicher Weise. Im Abschnitt "Partizipatorische Unternehmensverfassung" wird gezeigt, wie durch das Stakeholder-Prinzip und durch das Wirken von betrieblichen Wirtschaftsräten diese Mitbestimmung und Ertragsbeteiligung zur Partizipation aller am Unternehmen Beteiligten führt und so die Akkumulation der Wertschöpfung in alleiniger Privatverfügung der ursprünglichen Eigner überwunden wird. Dabei ist zu beachten, dass dieser Prozess in kleinen handwerklichen (Familien-)Betrieben zu Recht eine geringere Rolle spielt. Jedoch spielt mit der Zunahme der Betriebsgröße die Mitbestimmung und kollektive Ertragsbeteiligung eine gewichtigere Rolle."
Seiten 133-5 (in 3.2.3 "Partizipatorische Steuerung des Unternehmens"):
"Unternehmen sind immer eingebunden in ein Flechtwerk sozialer, ökologischer, volkswirtschaftlicher und öffentlicher Bedingungen und Notwendigkeiten. Für den Aufbau eines Unternehmens in dem System einer solidarischen Ökonomie stellen sich in diesem Zusammenhang zentrale Fragen:
1. Wer trägt innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen (z. B. Regelung der Bilanzierung, grundsätzliche Beibehaltung eines Marktes) die Verantwortung was wie für wen produziert wird?
2. Wer trägt die Risiken der Produktion?
3. Wie werden Überschüsse aus der Produktion verteilt?
Diese Fragen müssen in einem gesellschaftlichen Entscheidungsprozess beantwortet werden. Dabei wird man unweigerlich analysieren müssen, welche gesellschaftlichen Gruppen unmittelbar an der Produktion und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen beteiligt sind. Dies sind die Beschäftigten, die Vertreter der Öffentlichkeit (Kommune, Land), die Kunden, die Vertreter ökologischer Interessen als „Anwälte“ der Natur und die Kapitalgeber. (Hiermit sind sowohl Eigenkapital als auch Fremdkapital gemeint.). Da diese Gruppen sowohl die Verantwortung als auch die Risiken der Produktion tragen, sind sie in die unternehmerischen Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Damit wird weder das unternehmerische Handeln noch der Markt (und der Preis) als ein Instrument der Verteilung in Frage gestellt. Es geht vielmehr darum, innerhalb eines solidarisch organisierten Marktes Rahmenbedingungen zu schaffen, die zu einer am Gemeinwohl orientierten Steuerung führen.
Betriebliche Wirtschaftsräte. Zur Gewährleistung der gesellschaftlichen Interessen ist in den größeren Unternehmen die Bildung eines betrieblichen Wirtschaftsrats sinnvoll. Zu den zentralen Aufgaben des betrieblichen Wirtschaftsrats gehört die langfristige strategische Ausrichtung des Unternehmens, die Entscheidungsbefugnis über die Überschussverwendung, sowie die Wahl und die Kontrolle des Vorstands, der für das operative Geschäft zuständig ist. Der betriebliche Wirtschaftsrat ist somit in etwa mit dem herkömmlichen Aufsichtsrat in Kapitalgesellschaften vergleichbar, verfügt aber über mehr Kompetenzen und setzt sich vor Allem derart zusammen, dass es zu keiner dauerhaften Dominanz einer Interessensgruppe kommen kann (...).
Die Zusammensetzung des betrieblichen Wirtschaftsrats erfolgt drittelparitätisch mit den Gruppen "Kapitalgeber" (Eigen- und Fremdkapital), "Beschäftigte" und "Öffentlichkeit". Ein Recht zur Teilnahme an der Gruppe "Öffentlichkeit" haben Vertreter der Kommunen bzw. des Landes (dies sind gewählte Vertreter aus den jeweiligen Parlamenten), der Kunden und Umweltverbände. Sollten die Kunden oder die Umweltverbände ihr Recht nicht wahrnehmen wollen, wird dieser Platz durch einen Vertreter der Kommune (bzw. des Landes) wahrgenommen. Die Gesamtzahl der Teilnehmenden des Wirtschaftsrates ist abhängig von der Größe des Unternehmens, sie muss allerdings durch Drei dividierbar sein. ... Die Drittelparität verhindert die Machtanhäufung bei nur einer Gruppe. Bei strittigen Entscheidungen sind Verhandlungen zu führen und ggf. Koalitionen zu bilden. ... Die Besetzung und die Kompetenz der betrieblichen Wirtschaftsräte sind nach Größe des Unternehmens zu differenzieren. Abhängig von der Betriebsgröße (Beschäftigte und Umsatz) könnte die Partizipation wie folgt gestaltet werden: ..." - Siehe auch 11-seitigen Text von 2013: „Das Unternehmertum in einer solidarischen postkapitalistischen Wirtschaft“[11]
i) 2013, zum Gesetzentwurf[12] eines Volksbegehrens
von 2013 über die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung:
- Zitat aus §1
und §4: „Das Land Berlin errichtet zur Wahrnehmung
öffentlicher Aufgaben für die Energieversorgung
rechtsfähige Anstalten öffentlichen Rechts mit Namen
1. Berliner Stadtwerke (Stadtwerke),
2. Berliner Netzgesellschaft (Netzgesellschaft).
...
(1) Dem Verwaltungsrat der jeweiligen Anstalt gehören an:
1. die für Wirtschaft und Umwelt zuständigen Mitglieder des Senates, die sich vertreten lassen können,
2. sechs direkt gewählte Vertreter oder Vertreterinnen der Energieverbraucherinnen und Energieverbraucher sowie
3. sieben Vertreter oder Vertreterinnen der Beschäftigten der Anstalt, davon mindestens drei Männer und mindestens drei Frauen.
(2) Die Mitglieder nach Absatz 1 Nr. 2 ... werden direkt von den Einwohnerinnen und Einwohnern Berlins gewählt.“ - Hier gibt es
also die zusätzliche Gruppe
Konsumenten/Energieverbraucher:innen. Wobei Konsumenten, die das
Wahlrecht für das Berliner Abgeordnetenhaus haben, noch Teil
einer weiteren Gruppe sind: zusammen mit den genannten
Senats-Mitgliedern entsprechen sie auch den Anteilseignern.
Entsprechend dieser doppelten Rolle kann vielleicht allgemein für öffentlich-rechtliche Unternehmen gelten: Wenn die Wähler:innen des Regionalparlaments der Region, der ein Unternehmen gehört, sehr weitgehend übereinstimmen mit den vom Unternehmen Betroffenen, dann kann eine 3. Gruppe entfallen. - Dieses Volksbegehren ist knapp gescheitert an der zu geringen Anzahl der Abstimmenden.
j) 2016, Onur Ocak,
Buch/Dissertation: "Die zivilgesellschaftliche Unternehmensmitbestimmung und ihre verfassungs- und europarechtliche Bewertung" (289 Seiten)
Onur Ocak entwickelt ein "überparitätisches" Modell der Unternehmensmitbestimmung und untersucht im Großteil des Buches
dessen Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und dem Europarecht. Er hält dieses Modell für vereinbar mit diesen gesetzlichen Grundlagen.
Beim Grundgesetz geht es um Eigentum, Vereinigungs-, Berufs- und Koalitionsfreiheit. Beim Europarecht geht es um Niederlassungsrecht
(zur Anwendung der zivilgesellschaftlichen Mitbestimmung auch auf EU-Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland)
und Kapitalverkehrsfreiheit (zur Abschaffung des Letztentscheidungsrechts der Anteilseigner, zum Zwei-drittel-Zustimmungsvorbehalt
des Aufsichtsrats bei Kerngeschäften, zur Kooptierung von Vertretern der Allgemeinheit).
"Überparitätisch" bedeutet hier, dass die Anteilseigner im Aufsichtsrat die Stimmenminderheit haben können, wenn bei einer
Pattsituation die Person, die den Aufsichtsratsvorsitz hat, doppeltes Stimmrecht hat (diese Person soll zunächst mit 2/3-Mehrheit
gewählt werden, wenn das nicht klappt, wählen die Arbeitnehmer diese Person).
Dieses Modell hat als Ausgangsgrundlage das "überparitätische Modell" der Grünen von 1989.
[Seiten 266-7 im Endergebnis:] "Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf alle Unternehmen ab 1.000 Beschäftigte mit Rechtsform einer
Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Genossenschaft. Sie
ist auch auf europäische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland anwendbar.
Das Kontrollorgan setzt sich zur Hälfte aus Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen, wobei aus jeder Fraktion
zwei Vertreter der Allgemeinheit kooptiert werden müssen. Der Aufsichtsratsvorsitzende – mit Doppelstimmrecht in Pattsituationen –
wird mit Zweidrittel-Mehrheit bestimmt. Ansonsten legen die Vertreter der Arbeitnehmer den Aufsichtsratsvorsitzenden und die
Anteilseigner den Stellvertreter fest. Die Vertreter der Anteilseigner werden durch die Hauptversammlung gewählt, die der
Beschäftigten durch die Betriebsrätevollversammlung oder optional durch Direktwahl. Die Vertreter der Allgemeinheit werden durch
eine Vielzahl von vorschlagsberechtigten Personen, Gruppen, Organisationen der Zivilgesellschaft und des Staates vorgeschlagen.
Der Aufsichtsrat wird gestärkt, die zustimmungspflichtigen Geschäfte werden ausgeweitet und der Aufsichtsrat erhält nun statt der
Hauptversammlung grundsätzlich das Letztentscheidungsrecht. Außerdem werden die Informationspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat
und der Belegschaft ausgeweitet."
("Letztentscheidungsrecht": Das Letztentscheidungsrecht der Hauptversammlung gemäß § 111 IV AktG soll abgeschafft
werden. Dieses Gesetz ermöglicht, dass der Unternehmensvorstand bestimmte Entscheidungen, wenn der Aufsichtsrat nicht zustimmt,
der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlegen kann. Siehe außerdem im Folgenden
zur "Letztentscheidungskompetenz" gemäß § 119 AktG.)
[Seiten 158-9, § 119 AktG, Bilanzgewinn:] "... entscheidet die Hauptversammlung nach § 119 I Nr.1 über die Anteilseigner im Aufsichtsrat,
Nr. 2 über die Verwendung des Bilanzgewinns, Nr. 3 die Entlastung der Vorstandsmitglieder und des Aufsichtsrats, Nr. 4 die Bestellung
eines Abschlussprüfers, Nr. 5 über Satzungsänderungen, Nr.6 über Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung,
Nr. 7 über Prüfer zur Kontrolle der Geschäftsführung und Nr. 8 über die Auflösung der Gesellschaft.
Die zivilgesellschaftliche Mitbestimmung überträgt lediglich die Kompetenz zur Verwendung des Bilanzgewinns auf den Aufsichtsrat,
in allen anderen Fällen bleibt die Letztentscheidungskompetenz der Hauptversammlung erhalten. Damit wird nicht nur das leichte
Übergewicht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ausgeglichen, sondern auch weiterhin erheblicher Einfluss der Anteilseigner gewährleistet."
[Seite 70:] "Im geschäftsführenden Organ der Gesellschaft - in der Regel der Vorstand - wird ein Arbeitsdirektor ernannt, der mit Personal- und Sozialangelegenheiten betraut ist. Dieser kann nicht gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter ernannt werden. Zusätzlich muss auch ein Vertreter der Allgemeinheit bestimmt werden, der nicht gegen die Stimmen der Vertreter der Allgemeinheit ernannt werden kann. Ihre konkreten Aufgaben und Befugnisse werden durch die Geschäftsordnung bzw. Satzung bestimmt."
Bei der Wahl der Vertreter der "Allgemeinheit" ist Folgendes die vom Autor bevorzugte Variante:
[Seiten 71-2:] "Eine andere Option könnte eine Analogie zur Wahl der Umweltsachwalter im Entwurf der Grünen darstellen.
Statt eines vorbestimmten Gremiums mit einem Vorschlagsmonopol beim Staat oder einem von ihm bestellten Organ erscheint es praktikabel,
eine Vielzahl von vorschlagsberechtigten Personen, Gruppen, Organisationen zu benennen. So waren für die Umweltsachwalter die
Anteilseigner, die Gewerkschaften des Betriebs, einzelne Betriebsräte, 5 % der Belegschaft des Unternehmens, Umwelt- und
Verbraucherverbände, Kommunalparlamente und die in ihr vertretenen Fraktionen vorschlagsberechtigt. Es erscheint sinnvoll, diesen Kreis
zu erweitern auf alle eingetragenen Vereine und Organisationen und diese nicht bloß auf Umwelt- und Verbraucherverbände zu reduzieren,
sowie auf Bürger, die ein bestimmtes Quorum an Unterschriften für ihren Vorschlag einreichen können. Dies erlaubt eine breite
Vorschlagsberechtigung und Partizipation, die möglichst viele Akteure umfasst und nicht die hoheitliche Gewalt als einziges handelndes
Subjekt adressiert.
Entgegen der Forderung von Attac können so auch staatliche Repräsentanten als Vertreter des Allgemeininteresses auftreten, sie müssen
es aber nicht. Weiterhin werden nur diejenigen Akteure Vorschläge einreichen, die auch ein Interesse an der Unternehmenskontrolle und
-steuerung haben. Eine staatliche Vorauswahl, was relevante gesellschaftliche Gruppen sind, muss nicht erfolgen. Die fehlende
demokratische Legitimation wird durch die Kooptierung, durch die Unternehmensdemokratie nachgeholt. So ist es auf Anteilseignerseite
seit jeher üblich, auch unternehmensfremde Sachverständige zu benennen. Problematisch könnte es höchstens sein, dass die Vorschläge
der Anteilseigner und der Betriebsräte besonders durch die Betriebsversammlung und Hauptversammlung präferiert werden. Die Regelung,
dass zumindest keiner der Vorgeschlagenen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den traditionellen Fraktionen stehen darf, könnte
dieses Problem jedoch abmildern, gesicherte Aussagen sind dazu allerdings mangels empirischer Erfahrungen nicht zu machen. Jedenfalls
erscheint die Regelung nicht völlig ungeeignet. Ansonsten könnte man auch von einem betriebsbezogenen Vorschlagsrecht absehen."
(Zu "Entgegen der Forderung von Attac ... staatliche": Es ist keine "Forderung von Attac",
auch weil die Formulierung nicht im Konsensteil des entsprechenden Textes steht.)
k) 2018, Gemeinwohl-Ökonomie:
Im Buch „Gemeinwohl-Ökonomie
– Komplett aktualisierte und erweiterte Ausgabe“ (2018,
Christian Felber) befindet sich im Abschnitt "Demokratisierung
von Großunternehmen" ab Seite 99:
„... Globale
Konzerne sind heute mächtiger als viele Regierungen: Ihre
Entscheidungen können Hunderttausende Menschen betreffen, und
sie haben einen unverhältnismäßigen Einfluss auf
Medien, Parteien, Wissenschaft und Justiz. Es ist zutiefst
undemokratisch, dass wenige Privatpersonen über den Kurs dieser
Kolosse bestimmen können, während alle anderen Betroffenen
– innerhalb und außerhalb der Unternehmen - kein
Mitspracherecht besitzen. Dieser Zustand ist mit dem höchsten
Wert der westlichen Kultur, der Demokratie, unvereinbar. Deshalb
sollten große Unternehmen in dem Maße, in dem sie größer
werden, demokratisiert, und die Mitbestimmung der Gesellschaft sollte
ausgeweitet werden. Das könnte zum Beispiel so aussehen:
-
ab 250 Beschäftigten erhalten die Belegschaft und die
Gesellschaft 25 Prozent der Stimmrechte;
- ab 500
Beschäftigten erhalten sie fünfzig Prozent der
Stimmrechte;
- ab 1000 Beschäftigten zwei Drittel der
Stimmrechte;
- ab 5000 Beschäftigten gehen die Stimmrechte
zu je einem Fünftel an EigentümerInnen, Beschäftigte,
KundInnen, Gender-Beauftragte und Umwelt-AnwältInnen über.
Die verpflichtende Mitbestimmung der Belegschaft in den Aufsichtsräten
großer Unternehmen gibt es in Deutschland in Unternehmen seit 1976 - sie
würde gestärkt werden. Die größere Herausforderung ist die Mitsprache
der Gesellschaft, ... Denkbar wäre ein regionales
Wirtschaftsparlament, das als Vertretung des Souveräns fungiert
und in allen Großunternehmen einer Region im Aufsichtsrat
sitzt. Dieses Parlament würde direktdemokratisch gewählt.
…
Wenn die Öffentlichkeit und die Beschäftigten mit
wachsender Unternehmensgröße die Entscheidungen zunehmend
verantworten, wäre es auch gerecht, dass sie im Falle von
Verlusten diese mittragen. Freiheit und Verantwortung sollten
aneinander gekoppelt sein.“
l) 2018, Karl-Martin Hentschel
(aktiv bei Attac, Mehr Demokratie). Im Buch "Demokratie für morgen":
Seite 170: "Große Konzerne und systemrelevante Banken und Fonds sollten aufgelöst werden können. Alternativ müssen sie dem Gemeinwohl verpflichtet werden, was durch eine entsprechende Besetzung des Aufsichtsrats gewährleistet werden könnte."
Während obiges Zitat nicht eindeutig als Position des Autors zu erkennen ist, ist folgendes Zitat
aus Seite 197/8 als Position des Autors zu erkennen (in Abschnitt "Vorschlag: Eine EU-Verfassung
mit sieben Gewalten"):
"Daher schlage ich einen durch die Verfassung legitimierten Wirtschaftsrat als sechste
Regulative Gewalt vor. Dieser muss unabhängig genug sein, die Marktwirtschaft vor zu hoher
Konzentration zu sichern (Kartellamtsfunktion). Er muss sicherstellen, dass kein Unternehmen,
keine Bank und keine Kapitalgruppe so groß ist, dass sie die Regierung erpressen kann,
dass sie Märkte monopolisieren kann und dass sie systemrelevant wird. Zugleich muss er
sicherstellen, dass ein starker Mittelstand als Rückgrat der Wirtschft Bestand hat und
nicht von großen transnationalen Konzernen verdrängt wird. Dazu braucht er das Recht,
Konzerne aufzuteilen und kleinen und mittleren Unternehmen systematische Vorteile und
Förderung zukommen zu lassen. Andererseits sollten die
Aufsichtsratsplätze in Großunternehmen nach Größe gestaffelt zunehmend von Vertretern der Öffentlichkeit und der Belegschaft besetzt werden.
Es liegt auf der Hand, dass eine solche Regulierung nur auf europäische Ebene möglich ist."
m) 2018, Heinz-J. Bontrup
(Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik), Artikel: "Neutralisiertes Kapital - Die erreichte Mitbestimmung reicht nicht aus. Wie demokratisches Wirtschaften in Unternehmen möglich sein soll? Ein konkreter Vorschlag"[13]
"Der Belegschaftsrat ist das höchste Kontrollorgan im Unternehmen und ersetzt die
heutigen Aufsichtsräte … Was passiert aber mit den Eigentümern der Unternehmen? Diese bekommen
auch Sitze im Belegschaftsrat, genauso wie
Vertreter der Öffentlichkeit, wozu staatliche Vertreter, Verbraucher- und Umweltschutzverbände
gehören. Die Anzahl der
jeweiligen Vertreter richtet sich nach der Größe der Unternehmen. Kapital und Arbeit müssen
sich dabei mit ihren Stimmanteilen neutralisieren. Beispielsweise könnte so
der Belegschaftsrat in Großunternehmen ab 1.000 Beschäftigten aus
fünf Belegschaftsvertretern, fünf Kapitalvertretern und jeweils
einem Staats- sowie Verbraucher- und Umweltschutzvertreter bestehen."
…
"Wie soll dabei aber konkret die Gewinnpartizipation erfolgen? In einem demokratisierten
Unternehmen gehört der Gewinn dem Unternehmen als Ganzem. Dies widerspricht den heutigen
Eigentümerverhältnissen und Gewinnaneignungen total. Die Gewinnpartizipation ist hier
als eine kollektive Partizipation am Unternehmenserfolg zu verstehen und wird in ein
»neutralisiertes Kapital« im Sinne von Ota Šik, dem wohl größten Ökonomieforscher in Sachen
Wirtschaftsdemokratie, umgewandelt, »bei dem das Eigentum am Kapital eines Unternehmens
nicht mehr an einzelne Personen gebunden und auch nicht mehr zwischen
einzelnen Personen aufteilbar ist«. Das heißt im Ergebnis, die Beschäftigten
werden durch die Kapitalneutralisierung nicht individuelle Eigentümer der Unternehmen,
sondern am Ende gehören sich die Unternehmen selbst.
Beim neutralisierten Kapital handelt es sich um eine völlig neue Eigentumsform, die ohne Enteignung
der bisherigen Eigentümer sukzessive dadurch entsteht, dass sich in den bestehenden Unternehmen
das neutralisierte Kapital im Zeitablauf durch eine Gewinnthesaurierung immer mehr ansammelt.
Von Jahr zu Jahr würde ein zuwachsender Anteil des Kapitals zum Kollektiveigentum der Unternehmen werden. ...
Über die finale Gewinnverwendung entscheidet aber jeweils letztlich, auf Vorschlag des
Managementausschusses, der Belegschaftsrat."
n) 2022, Goliathwatch:
Bei Goliathwatch bin ich aktiv.
In https://goliathwatch.de/dritte-gruppe
ist der Text "Zivilgesellschaftliche Mitbestimmung in Großunternehmen"
verlinkt. Darin werden 4 grundlegende Punkte für
eine Mitbestimmung mit dritter Gruppe genannt:
- Die dritte Gruppe soll nicht von den anderen beiden Gruppen gewählt werden.
- Bei der Größe eines Unternehmens, ab der die Mitbestimmung angewandt wird, soll es nicht nur um eine Mindestzahl an Beschäftigten gehen, sondern alternativ auch um finanzielle Mindestwerte ...
- Diese Mitbestimmung soll transnational sein.
- Die Anteilseigner sollen eine Minderheit der Stimmen haben, genauso wie die anderen Gruppen auch. Für eine vorherige Zwischenlösung ist trotzdem ein Ansatz zu beachten, bei dem die Anteilseigner die Hälfte der Stimmen haben.
Zur einfachen Wahl einer dritten Gruppe steht in diesem Text:
"Gerade bei der Einführung dieser Mitbestimmung ist es wichtig, dass die Stimmabgabe einfach ist. Auch deshalb halten wir folgenden Ansatz für besonders interessant:
Mit 1 Stimme wählt eine Wählerin oder ein Wähler nicht nur Aufsichtsrats-Mitglieder eines einzelnen Unternehmens, sondern Aufsichtsrats-Mitglieder mehrerer Unternehmen zusammen. ..."
o) 2023, Michael Kox,
mein Text zur 3-Gruppen-Mitbestimmung in
www.mitbestimmung.eu
Einige
Punkte daraus:
- Die dritte Gruppe heißt "Bevölkerung".
- Die Grundidee zur Wahl der dritten Gruppe: Mit 1 Stimme wählt ein Mensch in einem Verhältniswahl-Verfahren
Aufsichtsrats-Mitglieder für mehrere Unternehmen.
- "Eine wahlberechtigte Person hat 1 Stimme für die Unternehmensliste (Liste mit Unternehmen) einer Interessengruppe.
Eine Interessengruppe hat für jedes Unternehmen ihrer Unternehmensliste eine eigene
Liste mit Personen für die Besetzung der Aufsichtsratssitze.
Die Interessengruppen, die zur Wahl antreten, können Parteien ähneln, die wir von Parlamentswahlen kennen, oder anders sein.
Beispiel zur Verteilung von Aufsichtsratssitzen: Da eine Verhältniswahl angewandt wird, bekommt z.B. eine Unternehmensliste mit 20% der Stimmen etwa 20% der Sitze. Welche Unternehmensliste den ersten, zweiten, ... letzten Sitz bekommt, ist bei Verhältniswahl zu erkennen (mit einem „Höchstzahlverfahren“). Wenn eine Unternehmensliste erst den 10. Sitz bekommt, dann kann es sein, dass für das Unternehmen auf Platz 1 dieser Unternehmensliste schon alle Aufsichtsratssitze vergeben sind, da 9 Sitze schon zuvor an andere Unternehmenslisten vergeben wurden. In dem Fall wird ein Sitz vergeben für das Unternehmen auf Platz 2 dieser Unternehmensliste, wenn für dieses Unternehmen noch ein Aufsichtsratssitz frei ist.
Allgemeiner formuliert bedeutet dies: Je später ein Sitz vergeben wird, desto unwahrscheinlicher wird es, einen Sitz in einem besonders begehrten Unternehmen zu bekommen.
In einer Unternehmensliste kann ein Unternehmen mehrfach aufgeführt sein, so dass eine Interessengruppe mehr als einen Sitz im gleichen Aufsichtsrat bekommen kann. ..."
- "Eine wahlberechtigte Person hat 1 Stimme für die Unternehmensliste (Liste mit Unternehmen) einer Interessengruppe.
Eine Interessengruppe hat für jedes Unternehmen ihrer Unternehmensliste eine eigene
Liste mit Personen für die Besetzung der Aufsichtsratssitze.
- Keine der drei Gruppen dominiert die anderen.
- Ob ein Unternehmen groß genug ist für diese Mitbestimmung, hängt nicht nur von einer Mindestanzahl von Beschäftigten ab, sondern alternativ auch von finanziellen Mindestwerten.
- Ein Teil der Aufsichtsrats-Mitglieder der Beschäftigten kann gewählt werden auch von solchen Beschäftigten, die nicht im betreffenden Unternehmen arbeiten.
- Dieser Mitbestimmungsvorschlag achtet besonders darauf, international zu funktionieren.
- Mit Vorschlag zur Einführung einer zunächst einmal bescheideneren Form dieser Mitbestimmung in Europa.
4.4 Einige Bemerkungen zu diesen Ansätzen
-
Beim Europäischen Bund der Freien Gewerkschaften (EBFG, 1970), bei einer Abstimmung im Europäischen Parlament (1974),
bei den Grünen (1989) und bei Onur Ocak (2016) haben sich Ansätze durchgesetzt mit folgender
Zwischenlösung: Eine 3. Gruppe kommt zwar hinzu, aber sie ist
abhängig von den Beschäftigten und den Anteilseignern,
denn deren Aufsichtsratsmitglieder wählen die 3. Gruppe in den Aufsichtsrat. Gründe warum dies problematisch
ist:
- Diese Abhängigkeit erschwert die Berücksichtigung von Interessen, die für Beschäftigte und Anteilseigner nachrangig sind.
- Die Motivation von bisher bei der Mitbestimmung nicht berücksichtigten Akteuren, für eine Mitbestimmung mit mehr als zwei Gruppen zu kämpfen, wird durch diese Abhängigkeit geschwächt.
- Mit so einer Abhängigkeit sehe ich keine Weiterentwicklungsmöglichkeit bezüglich einer Mitbestimmung gemäß finanziellen Mindestwerten, die sinnvoll ist für die in 3.b genannten „Unternehmen mit wenigen (gut verdienenden) Beschäftigten und großer Finanzkraft“.
- Ergänzend bezüglich finanziellen Werten als Mitbestimmungs-Kriterium: Ausdrücklich erwähnt sind solche finanziellen Werte in den Ansätzen von Akademie Solidarische Ökonomie, Goliathwatch und Michael Kox.
- Verwendung des Unternehmens-Gewinn: Beim Vorschlag der Akademie Solidarische Ökonomie wird darüber vom Wirtschaftsrat (entspricht Aufsichtsrat mit mehr Kompetenzen) entschieden. Beim Ansatz der Grünen (1989) entscheidet weiterhin die Anteilseignerversammlung. Bei Onur Ocak soll der Aufsichtsrat darüber entscheiden. Bei Bontrup entscheidet der Belegschaftsrat auf Vorschlag des Managementausschusses. Bei Michael Kox soll der Aufsichtsrat entscheiden (optional zusätzlich mit direktdemokratischem Element).
- Das "Letztentscheidungsrecht" der Hauptversammlung gemäß § 111 IV AktG soll bei den Grünen 1989, bei Kox und bei Ocak abgeschafft werden.
Dieses Gesetz ermöglicht, dass der Unternehmensvorstand bestimmte Entscheidungen, wenn der Aufsichtsrat nicht
zustimmt, der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlegen kann.
Siehe ergänzend bei Ocak zur "Letztentscheidungskompetenz" der Hauptversammlung gemäß § 119 AktG. - Internationalität:
Große Unternehmen sind oft international aktiv, haben
Kunden, Produktionsstätten, Filialen in mehreren Staaten. Von
einem Mitbestimmungs-Konzept ist zu erwarten, dass es dies
berücksichtigt.
- Für zu
unflexibel halte ich hierfür den Vorschlag aus der
Gemeinwohl-Ökonomie für ein Wirtschaftsparlament, „das
als Vertretung des Souveräns fungiert und in allen
Großunternehmen einer Region im Aufsichtsrat sitzt“:
- Wenn das Wirtschaftsparlament nur für eine kleine Region zuständig ist, können viele Betroffene nicht einmal dieses Parlament wählen.
- Und je größer die Region eines Wirtschaftsparlaments ist, desto geringer ist der Anteil der Personen, die über einen Aufsichtsratsplatz direkt abstimmen können (erfahrungsgemäß kommen mehr Einwohner auf einen Parlamentarier je größer die Einwohnerzahl zu einem Parlament ist).
- Bei Ansätzen,
die den Bewohnern am Unternehmenssitz oder bei Betriebsstätten
besondere Mitbestimmungsrechte geben (vergleiche Akademie
Solidarische Ökonomie, Grüne), wäre auch
international zumindest darauf zu achten, dass diese Bewohner nicht
gegenüber anderen Betroffenen unangemessen bevorzugt werden.
Dies kann aber bei großen internationalen Unternehmen sehr
komplex werden. Deshalb denke ich, dass gerade international, wenn sehr viele sehr
unterschiedliche Menschen berücksichtigt werden müssen bezüglich ihrem Verhältnis
zu den größten Unternehmen, ein Ansatz besonders sinnvoll ist, bei dem es im
Wahlrecht zur 3. Gruppe möglichst wenige Vorgaben gibt mit Bezug auf
bestimmte Betroffenen-Gruppen.
Für ein Unternehmen dürfte die Bereitschaft, auch unabhängig von gesetzlichen Vorgaben auf konkrete Interessengruppen einzugehen, größer sein wenn es eine gesetzliche 3-Gruppen-Mitbestimmung gibt (und zwar auch dann, wenn eine konkrete Interessengruppe nicht vertreten ist über die 3-Gruppen-Mitbestimmung). Denn durch eine gesetzliche Mitbestimmung mit mindestens drei Gruppen (von denen keine die anderen dominiert) gibt es bei Unternehmens-Entscheidungen mehr unterschiedliche Sichtweisen und es gibt eine größere Erfahrung damit, auf die Interessen anderer einzugehen.
- Für zu
unflexibel halte ich hierfür den Vorschlag aus der
Gemeinwohl-Ökonomie für ein Wirtschaftsparlament, „das
als Vertretung des Souveräns fungiert und in allen
Großunternehmen einer Region im Aufsichtsrat sitzt“:
- Bei den Texten von Felber/Gemeinwohl-Ökonomie, Akademie Solidarische Ökonomie und Michael Kox ist möglich: Alle Aufsichtsrats-Mitglieder der Anteilseigner zusammen mit solchen Mitgliedern der Beschäftigten, die nur von den Beschäftigten des betreffenden Unternehmens gewählt werden, können im Aufsichtsrat gemeinsam in der Minderheit sein. Bei Felber ist das ab 5000 Beschäftigten standardmäßig der Fall. Bei der Akademie Solidarische Ökonomie spielt für die genannte Minderheit das Fremdkapital eine besondere Rolle. Bei Kox spielen Aufsichtsrats-Mitglieder der Beschäftigten eine besondere Rolle, die auch von Beschäftigten von außerhalb des betreffenden Unternehmens gewählt werden.
4.5 Volkswagen (VW)
Die Unternehmensmitbestimmung bei Volkswagen kann als Mitbestimmung mit dritter Gruppe verstanden werden, bei der die dritte Gruppe Teil der Anteilseigner ist. Für diese Mitbestimmung trat 1960 das VW‑Gesetz[14] in Kraft. Wichtige Bestandteile dieses Gesetzes in den ersten Jahren:
- § 2 (1) Gehören einem Aktionär Aktien im Gesamtnennbetrag von mehr als dem fünften Teil des Grundkapitals, so beschränkt sich sein Stimmrecht auf die Anzahl von Stimmen, die Aktien im Gesamtbetrag des fünften Teils des Grundkapitals gewähren.
- § 4 (1) Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Niedersachsen sind berechtigt, je zwei Aufsichtsratsmitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden, solange ihnen Aktien der Gesellschaft gehören.
Die Bundesrepublik Deutschland hat 1988 alle Aktien von VW verkauft und damit auf das Recht verzichtet, zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Das Land Niedersachsen hat aber weiterhin auf Grundlage dieses Gesetzte zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat entsandt.
Nach einem Urteil[15] zu einer Klage der EU-Kommission vor dem europäischen Gerichtshof wurden die oben genannten Regelungen 2008 aus dem VW-Gesetz entfernt. Das Gerichts verurteilte die Verbindung diese beiden Regelungen mit folgender Regelung, die im VW-Gesetz erhalten blieb:
- § 4 (3) Beschlüsse der Hauptversammlung, für die nach dem Aktiengesetz eine Mehrheit erforderlich ist, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt, bedürfen einer Mehrheit von mehr als vier Fünftel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals der Gesellschaft.
Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Niedersachsen 20% der Stammaktien besitzt.
Zur Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern durch
Niedersachsen und Deutschland sah das Gericht eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs. Gründe:
- Diese bis zu 4 Mitglieder gehen über das hinaus, was gemäß Aktiengesetz möglich ist, nämlich dass ein Entsenderecht nur für bis zu 3 Mitglieder festgelegt werden kann, und zwar in der Satzung eines Unternehmens.
- Die Zahl Aufsichtsrats-Mitglieder (z.B. 2 für Niedersachsen) ist unabhängig von der Anzahl der Aktien.
- Aus vorigem wird abgeleitet, dass das VW-Gesetz die Möglichkeit für andere Aktionäre einschränkt, sich an Volkswagen zu beteiligen, um dauerhafte und direkte Wirtschaftsbeziehungen mit Volkswagen zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, die es ermöglichen, sich effektiv an der Verwaltung und Kontrolle von Volkswagen zu beteiligen. Damit wäre diese Vorschrift geeignet, Anleger aus anderen Mitgliedstaaten von Direktinvestitionen in das Kapital von Volkswagen abzuhalten.
Eine weitere wichtige Regelung aus dem VW-Gesetz, die erhalten blieb:
- § 4 (2) Die Errichtung und die Verlegung von Produktionsstätten bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats. Der Beschluß bedarf der Mehrheit von zwei Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrats.
Das Land Niedersachsen kann jetzt zwar 2 Aufsichtsratsmitglieder nicht mehr auf Grundlage des VW‑Gesetzes in den Aufsichtsrat entsenden, Niedersachsen kann dies aber auf Grundlage einer Anpassung der VW-Satzung[16], da Niedersachsen 20%[17] der Stammaktien besitzt:
- § 11 (1) der VW-Satzung: Der Aufsichtsrat besteht aus zwanzig Mitgliedern. Das Land Niedersachsen ist berechtigt, zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden, solange dem Land Niedersachsen unmittelbar oder mittelbar mindestens 15 Prozent der Stammaktien der Gesellschaft gehören.
Neben dieser Besonderheit erfolgt die Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat von VW entsprechend dem Mitbestimmungsgesetz von 1976.
Für die Durchsetzungskraft der Beschäftigten ist die besondere Stellung des Landes Niedersachsen hilfreich. Mit Blick auf Umweltschutz (z.B. Diesel-Skandal) und Menschenrechte (z.B. Uiguren in China) stellt sich die Frage, ob die Besetzung des Aufsichtsrats vielfältig genug ist.
5. Eigentum und Verfassung/Grundgesetz
Zunächst einmal ist leicht ersichtlich, dass ein Aktionär mit einem
kleinen Aktienanteil auch ohne Mitbestimmung von Beschäftigten
oder 3. Gruppe nur einen kleinen Einfluss hat, welche Entscheidungen
für ein Unternehmen getroffen werden.
Andere Interessenschwerpunkte von Beschäftigten und der 3. Gruppe
können aber Verkaufswert und Dividende eines Anteils
beeinflussen (und damit die Rendite).
Zu diesen Aspekten gibt es im Folgenden einige Zitate:
Die im folgenden Zitat genannten „mitgliedschaftsrechtlichen Befugnisse“
beziehen sich auf das
Recht, die Entscheidungen eines Unternehmens zu beeinflussen, vor allem durch Kontrolle und Personalentscheidungen.
In einem Urteil zur Montan-Mitbestimmung hat das
Bundesverfassungsgericht in Zusammenhang mit §14 („Eigentum,...“)
des Grundgesetzes geschrieben:
"Hinsichtlich der
Eigentumsgarantie sind jedoch im Wesentlichen nur die
mitgliedschaftsrechtlichen Befugnisse der
Anteilseigner betroffen, während das vermögensrechtliche
Element des Anteilseigentums nicht berührt ist. Außerdem
fällt der nur wenig ausgeprägte personale Bezug
der Anteilsrechte in ihrer mitgliedschaftsrechtlichen Bedeutung ins
Gewicht"[18]
In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Mitbestimmungsgesetz von 1976 ist zu lesen:
"Für das Ausmaß zulässiger Sozialbindung des Anteilseigentums an größeren Unternehmen ist dessen Eigenart
von Bedeutung. Das Anteilseigentum ist in seinem mitgliedschaftsrechtlichen und seinem vermögensrechtlichen
Element gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum […]: Neben dem Sozialordnungsrecht […] bestimmt und
begrenzt das Gesellschaftsrecht die Rechte des Anteilseigners; nach diesem wird das Vermögensrecht durch
das Mitgliedschaftsrecht "vermittelt"; der Eigner kann sein Eigentum regelmäßig nicht unmittelbar nutzen
und die mit ihm verbundenen Verfügungsbefugnisse wahrnehmen, sondern er ist hinsichtlich der Nutzung auf den
Vermögenswert beschränkt, während ihm Verfügungsbefugnisse – abgesehen von der Veräußerung oder
Belastung – nur mittelbar über die Organe der Gesellschaft zustehen. Anders als beim Sacheigentum, bei dem
die Freiheit zum Eigentumsgebrauch, die Entscheidung über diesen und die Zurechnung der Wirkungen des
Gebrauchs in der Person des Eigentümers zusammenfallen, ist diese Konnexität beim Anteilseigentum also
weitgehend gelöst.
...
Die §§ 7, 27, 29 und 31 MitbestG betreffen den gesellschaftsrechtlich begründeten Einfluß der
Anteilseigner auf die Besetzung des Aufsichtsrats und über diesen auf die Wahl oder Abberufung
der Unternehmensleitung und deren Kontrolle. Damit wirken sich diese Vorschriften in erster Linie auf
mittelbare Verfügungsbefugnisse der Anteilseigner aus und
allenfalls in zweiter Linie auf den Vermögenswert des Anteilsrechts.
...
Grundsätzlich zeigt sich der gegenüber dem Sacheigentum geringere personale Bezug des Anteilseigentums
in dem dargelegten Auseinanderfallen von Gebrauch des Eigentums und Verantwortung für diesen Gebrauch:
Anders als der Unternehmer-Eigentümer vermag der Anteilseigner mit seinem Eigentum nur mittelbar zu wirken;
die vermögensrechtliche Haftung für die wirtschaftlichen Folgen von Fehlentscheidungen ergreift ihn nicht
als Person, sondern sie bezieht sich auf einen eingegrenzten Teil
seiner Vermögenssphäre."[19]
Im Text von Onur Ocak (siehe 4.3.j), der sich ausführlich mit rechtlichen
Fragen beschäftigt, ist auf Seite 145 zu finden:
"Als eines der wesentlichen Kernelemente des Anteilseigentums könnte das Renditeinteresse
gesteigerten Schutz vor der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers verlangen. Dem steht jedoch
die bereits ausführlich erörterte Sozialbindung des Anteilseigentums gegenüber. Das
Anteilseigentum kann seinen vermögensrechtlichen Bestand nur durch Zuhilfenahme Dritter, wie
der Arbeitnehmer, der öffentlichen Infrastruktur und des Ausbildungssystems entwickeln. Es
dient nicht primär dem Zweck unternehmerischer Freiheit und Betätigung, sondern als
Vermögensanlage. Damit wird primär in den Randbereich des Eigentumsrechts der Anteilseigner
eingegriffen. Nimmt der Gesetzgeber daher Beschränkungen zugunsten dieser Dritten vor, so
hat er einen weiten Gestaltungsspielraum."
6. ergänzende Punkte
- Große Unternehmen verkleinern: Es kann für eine Demokratisierung und Dezentralisierung auf eine Strategie gesetzt werden, die große Unternehmen durch viele kleine Unternehmen ersetzt. Das ist für viele Bereiche (z.B. bei der Energieversorgung) sicherlich der richtige Ansatz. Und selbst wenn durchgehend die größten Unternehmen in viele kleinere Unternehmen aufgespalten würden, wären viele davon immer noch groß genug für eine Mitbestimmung mit 3. Gruppe. Aber auch ohne dem werden Strukturen verkleinert: Eine Mitbestimmung mit 3. Gruppe kann so gestaltet werden, dass viele Unternehmen dadurch nicht mehr einem Konzern untergeordnet sind.
- Weitere Anpassungen der Unternehmensverfassung:
- Es ist darauf zu achten, welche weiteren Änderungen notwendig sind, damit diese Mitbestimmung nicht unterlaufen wird. So beschädigt es z.B. die Mitbestimmung, wenn die Versammlung der Anteilseigner alleine entscheiden kann, den Unternehmenssitz in ein anderes Land zu verlagern.
- Es ist darauf zu achten, welche zusätzliche Neuerungen weitere Verbesserungen bringen können, z.B. eine Nachhaltigkeitsbilanz für Unternehmen.
- Private vs.
öffentlich-rechtliche / staatliche Unternehmen: Unternehmen
der Daseinsvorsorge wie Wasserversorgungs-Unternehmen oder
Krankenhäuser sollten nicht als privates
Unternehmen geführt werden und hätten als
öffentlich-rechtliches Unternehmen auch besonders flexible
Möglichkeiten zur Mitbestimmung, da in öffentlich-rechtlichen
Unternehmen die Rolle der Anteilseigner besonders flexibel
gestaltet werden kann (vergleiche 4.3.i Berliner
Energieversorgung).
Wobei staatliche Unternehmen weniger flexibel sind, wenn ihre Rechtsform privat-rechtlich ist (z.B. AG, GmbH) statt öffentlich-rechtlich. - Direkte und indirekte Wahlverfahren: Sehr viele Mitentscheidungs-Möglichkeiten können einen Menschen auch ermüden oder überfordern: Es geht ja nicht nur darum, Aufsichtsrat-Mitglieder für viele Unternehmen zu wählen, sondern auch in vielen weiteren gesellschaftlichen Bereichen wird ja darum gekämpft, dass die Menschen mehr entscheiden können. Gebraucht werden dementsprechend nicht nur direkte Wahlverfahren bzw. Entscheidungen, sondern indirekte Verfahren haben weiterhin ihre Berechtigung. Und zwar um so mehr wenn sie direkte Verfahren nicht behindern sondern vor allem ergänzen.
- Probleme bei repräsentativen statt direkten Entscheidungen: Auch falls die repräsentativen Aufsichtsrats-Mitglieder direkt gewählt werden, sind Verzerrungen möglich, die das tatsächliche Handeln der Gewählten unnötig stark von dem entfernt, was ihre Wähler:innen wollen. Gründe für solche Verzerrungen können z.B. sein: mangelnde Kommunikation, Lobbying-Einfluss, Wahlunterstützung finanzstarker Akteure mit speziellen Eigeninteressen, überholte oder zu starre Zielvorgaben einer Organisation oder Partei. Das ist ein komplexes Thema und lässt sich sicherlich nicht immer mit gesetzlichen Vorgaben verbessern.
Fußnoten:
1 Siehe MitbestG § 15. Zu "nur 2 Kandidaten" (ist auch in § 15 geregelt) siehe ergänzend:
- https://www.vaa.de/fileadmin/www.vaa.de/Inhalte/Publikationen/Infobrosch%C3%BCren/Web-PDF/Aufsichtsratswahlen.pdf: Seite 27-29
- "Handbuch zur Aufsichtsratswahl" (6. Auflage 2016, Hrsg. Hans-Böckler-Stiftung): Seite 209-210
2 Siehe § 8 und § 5 im Montan-MitbestG. Erläuterungen hierzu sind in: „Mitbestimmungsrecht. Kommentar“, 4. Auflage 2011, von Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Verlag Franz Vahlen.
3
https://www.dgb.de/++co++3f0504bc-fe03-11e8-9849-52540088cada/DGB-Beschluss-Vorschlaege-zur-Weiterentwicklung-der-Mitbestimmung.pdf
Offensive Mitbestimmung. Vorschläge zur Weiterentwicklung der Mitbestimmung. Beschluss des DGB-Bundesvorstandes vom 12. Juli 2016
Seite 22
4 Vergleiche in Lyon-Caen den Abschnitt „§ 1 – Das deutsche Beispiel“ auf den Seiten 39-42.
5 "Mitbestimmung, Wirtschaftsordnung, Grundgesetz - Protokoll der Wissenschaftlichen Konferenz des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom 1. bis 3. Oktober 1975 in Frankfurt am Main", Herausgegeben von Heinz O. Vetter, 1975, Europäische Verlagsanstalt
6 "Mitbestimmung für die Europäische Aktiengesellschaft: Nützliche Lehren aus mehr als dreißig Jahren Seifenoper" von Arndt Sorge, 2006, WZB discussion paper (SP III 2006-204)
7 Pages 96 and 99 (points 13. and 23.) in: "Report of the Committee of Inquiry on Industrial Democracy", Chairman Lord Bullock, 1977
8 Aufsatz „Ökologisierung und Demokratisierung der Unternehmensverfassung – Plädoyer für eine Gesetzesinitiative“, in: MEMO-FORUM. Zirkular der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ Nr. 17, Bremen, Mai 1991, S. 2-23.
9 Seiten 365-7 und 371, in J. Beerhorst / A. Demirović / M. Guggemos (Hrsg.): 'Kritische Theorie im gesellschaftlichen Strukturwandel'
11 Siehe http://www.akademie-solidarische-oekonomie.de/wp-content/uploads/2017/11/aufsatz_in_zeitschrift_fur_sozialokonomie_id.pdf
13
https://www.iwipo.eu/arbeitsfelder/oekonomieglobalisierung/neutralisiertes-kapital/
Dieser Artikel ist in OXI 12/2018.
14 VW-Gesetz: "Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand" (VWGmbHÜG)
15 Urteil
vom 23. 10. 2007 — Rechtssache C-112/05:
Siehe https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A62005CJ0112
oder https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=EuGH&Datum=23.10.2007&Aktenzeichen=C-112/05
16 VW-Satzung ist in https://www.volkswagenag.com/presence/investorrelation/publications/shareholder-meetings/2023/Satzung_09.2021.pdf
17 Siehe
https://www.volkswagenag.com/presence/investorrelation/publications/annual-media-conference/2023/volkswagen-ag/Jahresabschluss%20Volkswagen%20AG%20zum%2031.%20Dezember%202022.pdf
Seite 16: „Das Gezeichnete Kapital setzte sich unverändert aus 295.089.818 nennwertlosen Stammaktien und 206.205.445
nennwertlosen Vorzugsaktien zusammen“
Seite 55: „Das Land Niedersachsen hat unter dem 9. Januar 2023 mitgeteilt, dass das Land Niedersachsen
zum 31. Dezember 2022 insgesamt 59.022.390 Stammaktien der Volkswagen AG hält“.
Niedersachsen hält also knapp über 20% der Stammaktien:
59.022.390 * 100 / 295.089.818 = 20,0015
18 Aus der Begründung eines Urteils von 1999 zur Montan-Mitbestimmung; siehe BverfG, 1 BvL 2/91 vom 2.3.1999, Absatz-Nr. 77, http://www.bverfg.de.
19 Siehe Urteil von 1979 zum Mitbestimmungsrecht von 1976; BverfGE 50, 290 [Seiten 342-4, 348].