1. Grundlegendes
1.1 Demokratie, Macht und Eigentum/Besitz
Die größtmögliche Freiheit möglichst vieler Menschen (unter Beachtung von Minderheits-Rechten!)
braucht als Grundlage eine demokratische Gesellschafts-Struktur. Damit Demokratie gut funktioniert,
muss die Gestaltungs-Macht der demokratischen Institutionen weitaus größer sein als die Macht
Einzelner oder kleiner Gruppen durch Eigentum oder Besitz. Diese Macht durch Eigentum oder Besitz wird besonders durch
große Unternehmen ausgeübt. Mit Wirtschaftsdemokratie kann solche Macht verringert werden.
[Zu Eigentum siehe auch Anhang A.]
1.2 von 2 Gruppen auf 3 Gruppen
Für diesen Vorschlag gehe ich aus vom
existierenden Verfahren in deutschen Unternehmen, die mehr als 2000 Beschäftigte haben
(gemäß dem Mitbestimmungsgesetz von 1976):
Im Aufsichtsrat, der den Vorstand wählt und kontrolliert, sind
Anteilseigner und Beschäftigte vertreten. Beide Gruppen haben
oberflächlich betrachtet gleich viele Aufsichtsratssitze
(problematisch ist der Sitz der leitenden Angestellten). Gibt
es bei Abstimmungen Stimmengleichheit, so hat die Person, die den
Aufsichtsrats-Vorsitz hat, bei einer wiederholten Abstimmung zwei
Stimmen; dies hat besonderes Gewicht, da die Anteilseigner diese Person
alleine bestimmen können und somit auch alleine Entscheidungen fällen
können (z.B. alleine den Unternehmens-Vorstand wählen können).
[Mehr hierzu: siehe Anhang B.]
Der hier vorgestellte Vorschlag hat eine dritte Gruppe, die Mitglieder in
den Aufsichtsrat wählen kann: die Bevölkerung. Keine Gruppe dominiert die anderen.
2. Auswirkungen dieses Vorschlags
2.1 im einzelnen Unternehmen
- Der Unternehmensvorstand kann nicht von einer der 3 Gruppen alleine gewählt werden.
- Da es keine klare Mehrheit gibt, sind einseitige Positionen kaum durchzusetzen. Dies gilt sowohl im Aufsichtsrat als auch im vom Aufsichtsrat gewählten Unternehmensvorstand. Ob es z.B. um eine möglichst hohe Dividende für die Anteilseigner geht oder um möglichst hohe Löhne für die Beschäftigten: Beide Gruppen haben keine Mehrheit, um entsprechende Entscheidungen im Unternehmen allein zu fällen.
- Die dritte Gruppe kann bei Konflikten zwischen Anteilseignern und Beschäftigten vermitteln.
- Wenn Anteilseigner und Beschäftigte sich einig sind, kann die dritte Gruppe nichts durchsetzen.
- Die dritte Gruppe ist denen gegenüber verantwortlich, die sie wählen. Deshalb spielen nun gesellschaftliche Interessen eine größere Rolle bei den Entscheidungen des Unternehmens.
- Durch die direkte Auseinandersetzung mit den Aufsichtsratsmitgliedern der dritten Gruppe und durch den Verlust der Mehrheit wird es für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner selbstverständlicher, sich mit Sozialem, Menschenrechten und Umweltschutz zu befassen.
2.2 weitere Auswirkungen
- Politische Entscheidungsträger können nicht mehr so leicht von Anteilseignern unter Druck gesetzt werden. Zum Beispiel kann, um Druck zu machen für niedrige Unternehmenssteuern, nicht mehr so leicht mit der Verlagerung von Betrieben gedroht werden, da dies nicht mehr allein durch Anteilseigner durchgesetzt werden kann.
- Da es, alternativ zur Anzahl der Beschäftigten, auch von finanziellen Mindestwerten abhängt,
ob diese Mitbestimmung angewandt wird,
werden auch Unternehmen berücksichtigt, die nur wenige Beschäftigte aber eine große
Finanzkraft haben. So wird diese Mitbestimmung z.B. bei finanzstarken Holdings,
Fonds-Gesellschaften / Investmentgesellschaften, Banken, Unternehmen mit großem Landbesitz und
Unternehmen mit hochautomatisierten Fabriken
auch dann angewandt, wenn diese Unternehmen nur wenige Beschäftigte haben.
Auch bei Stiftungen ist eine Mitbestimmung entsprechend finanzieller Mindestwerte sinnvoll. - Lobbyismus: Die Interessen hinter dem Lobbyismus eines Unternehmens werden breiter, dadurch ausgewogener. Die Unternehmensverbände, die Lobbyarbeit machen, könnten sich künftig unterscheiden in allgemeine Unternehmensverbände, und solche Unternehmensverbände, die nur Anteilseigner vertreten.
- Hochtechnologie-Unternehmen: Wenn es bei solchen Unternehmen viele Beschäftigte gibt,
- die sich als Elite sehen, die weiß was für den Rest der Menschheit gut ist,
- oder denen die meisten Menschen egal sind,
- die Bevölkerung als dritte Gruppe
- und den Teil der Aufsichtsratsmitglieder der Beschäftigten, der auch von Beschäftigten gewählt wird, die nicht im betreffenden Unternehmen arbeiten.
- Transparenz: Mehr gesellschaftliche Gruppen haben einen tieferen Einblick in Unternehmen. Gerade Aufsichtsratsmitglieder der dritten Gruppe können es sich nicht leisten, Transparenz-Forderungen von Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) nicht wichtig zu nehmen.
- Es gibt durch die dritte Gruppe eine größere Vielfalt bei denen, die Macht in einem Unternehmen haben. Dadurch ist eine größere Offenheit in einem Unternehmen zu erwarten für die Belange von Gruppen, die nicht oder nicht direkt im Aufsichtsrat vertreten sind. Auf diese Gruppen kann flexibel außerhalb der gesetzlichen Unternehmensmitbestimmung in jedem Unternehmen so eingegangen werden, wie es speziell für ein bestimmtes Unternehmen passt.
- Wenn Interessengruppen, die bei der dritten Gruppe zur Wahl antreten, sich auf gemeinsame Zielvorstellungen einigen können, dann kann über sie stärker auf die Wirtschaft eingewirkt werden, z.B. bezüglich Sozialem, Menschenrechte, Umweltschutz, Steuergerechtigkeit. Ein solcher Einfluss kann um so stärker sein, je weniger sich solche Einigungen auf einzelne Unternehmen beschränken. Dies ist besonders auf internationaler Ebene bedeutsam, da Demokratie dort schwieriger umzusetzen ist.
3. Größe eines Unternehmens
Neben der Zahl der Beschäftigten gibt es finanzielle Kriterien für die Einführung dieser Mitbestimmung:
- Aktienwert oder sonstiger Verkaufswert, Umsatz, Bilanzsumme eines Unternehmens;
- besonders bei Finanz-Unternehmen: Höhe des für ihre Kunden verwalteten Vermögens.
Es sollte eine Abstufung bei der Mitbestimmung geben. Beispiel:
große Unternehmen | mittelgroße Unternehmen | |
---|---|---|
Stimmen-Verhältnis im Aufsichtsrat | ⅓ : ⅓ : ⅓ | ½ für Anteilseigner, ½ für Beschäftigte + dritte Gruppe zusammen |
Beschäftigte | über 1000 | 100 bis 1000 |
finanzielle Werte | über A | 1/10 A bis A |
Um als großes oder mittelgroßes Unternehmen eingeordnet zu werden muss entweder die Zahl der Beschäftigten oder ein finanzieller Wert erreicht werden.
In "5.1 Europa" wird eine Einführungsphase dieser Mitbestimmung gezeigt,
während der die Anteilseigner stärker sind.
Für Unternehmen bis 500 Beschäftigte (oder einem entsprechenden finanziellen Wert) kann
diese Mitbestimmung optional sein (Details sind in Anhang D).
Je nach Umfang der Mitbestimmung wird die Unterordnung eines Unternehmens unter einen Konzern verringert oder beseitigt.
Bei finanziell und personell kleinen Unternehmen kann es in bestimmten Fällen ebenfalls sinnvoll sein, diese Mitbestimmung zu verwenden. Dabei können zumindest teilweise die gleichen Aufsichtsratsmitglieder der dritten Gruppe für verschiedene Unternehmen gewählt werden, so als wäre die Wahl nur für 1 Aufsichtsrat. Anwendungs-Bereiche:
- Eine Gruppe von Unternehmen, an denen die gleiche Person oder Gruppe größere Anteile hat;
- eine Gruppe von Unternehmen, die offiziell unabhängig voneinander sind, aber unter einer gemeinsamen Corporate Identity auftreten;
- die verwendete Technologie oder das erzeugte Produkt eines Unternehmens ist mit besonderen Risiken verbunden.
Bei den ersten beiden Punkten können, um eine finanzielle oder personelle Schwelle zu überschreiten, die finanziellen Werte und die Beschäftigten dieser Unternehmen zusammengezählt werden.
4. Wahlverfahren
4.1 Bevölkerung als dritte Gruppe: Verteilung ihrer Aufsichtsratssitze
4.1.1 Kern
Grundidee: Mit 1 Stimme wählt ein Mensch in einem Verhältniswahl-Verfahren Aufsichtsrats-Mitglieder für mehrere Unternehmen.
- Eine wahlberechtigte Person hat 1 Stimme für die Unternehmensliste (Liste mit Unternehmen) einer Interessengruppe.
Eine Interessengruppe hat für jedes Unternehmen ihrer Unternehmensliste eine eigene
Liste mit Personen für die Besetzung der Aufsichtsratssitze.
Die Interessengruppen, die zur Wahl antreten, können Parteien ähneln, die wir von Parlamentswahlen kennen, oder anders sein.
Beispiel zur Verteilung von Aufsichtsratssitzen: Da eine Verhältniswahl angewandt wird, bekommt z.B. eine Unternehmensliste mit 20% der Stimmen etwa 20% der Sitze. Welche Unternehmensliste den ersten, zweiten, ... letzten Sitz bekommt, ist bei Verhältniswahl zu erkennen (mit einem „Höchstzahlverfahren“). Wenn eine Unternehmensliste erst den 10. Sitz bekommt, dann kann es sein, dass für das Unternehmen auf Platz 1 dieser Unternehmensliste schon alle Aufsichtsratssitze vergeben sind, da 9 Sitze schon zuvor an andere Unternehmenslisten vergeben wurden. In dem Fall wird ein Sitz vergeben für das Unternehmen auf Platz 2 dieser Unternehmensliste, wenn für dieses Unternehmen noch ein Aufsichtsratssitz frei ist.
Allgemeiner formuliert bedeutet dies: Je später ein Sitz vergeben wird, desto unwahrscheinlicher wird es, einen Sitz in einem besonders begehrten Unternehmen zu bekommen.
In einer Unternehmensliste kann ein Unternehmen mehrfach aufgeführt sein, so dass eine Interessengruppe mehr als einen Sitz im gleichen Aufsichtsrat bekommen kann. - Alternativen dazu, wer das Wahlrecht hat:
- Alternative 1: Wahlberechtigt sind Menschen aus den teilnehmenden Staaten ab einem Mindestalter. Die Wahl könnte alle 3 Jahre stattfinden (ein Aufsichtsratssitz könnte dann in der Regel für 6 Jahre vergeben werden).
- Alternative 2: Ein Teil der Wahlberechtigten bekommt über ein Zufallsverfahren das Wahlrecht
für ein bestimmtes Jahr oder einen bestimmten Monat. In dem Fall kann häufiger gewählt werden.
Für die zufällige Auswahl der Wählerinnen und Wähler können bestimmte Daten (z.B. Geburtsdatum oder Personalausweis-Nummer) auf mehrere Listen verteilt werden. Diese Listen werden dann per Losverfahren einem Jahr oder Monat zugeordnet.
- Für die kleinsten Unternehmen mit 3‑Gruppen‑Mitbestimmung kann stattdessen gelten: Bestehende regionale demokratische Gremien wählen Wahlausschüsse, die über die Besetzung der Aufsichtsratssitze der dritten Gruppe entscheiden.
4.1.2 zur internationalen Anwendung
a) Wähler:innen aus dem Staat, in dem ein Unternehmen seinen Hauptsitz hat, bekommen einen Vorteil bei der Verteilung der Aufsichtsratssitze,
- da ansonsten kleine Staaten wohl nicht teilnehmen werden an dieser internationalen Mitbestimmung;
- da diese Mitbestimmung nur schwer durchzusetzen ist ohne eine gewisse regionale Bevorzugung.
Dafür werden die Stimmen getrennt gezählt nach
nationalen und internationalen Stimmen. Internationale Stimmen sind
alle Stimmen. Nationale
Stimmen sind die Stimmen, die von Wählern und Wählerinnen aus dem Staat abgegeben werden, in dem ein Unternehmen seinen
Hauptsitz hat. Mit diesen nationalen Stimmen werden die gleichen Unternehmenslisten gewählt,
die auch mit internationalen Stimmen gewählt werden;
mit einer Besonderheit: auf nationaler Ebene werden Unternehmen ignoriert,
die ihren Hauptsitz in einem anderen Staat haben.
Wenn die Anzahl der Sitze ungerade ist, wird über nationale Stimmen 1 Sitz
weniger vergeben als die Hälfte der Sitze.
Beispiel: Ein Aufsichtsrat hat 15 Mitglieder. 5 Mitglieder sind von
der dritten Gruppe. 2 der 5 Mitglieder werden über nationale Stimmen gewählt,
3 über internationale Stimmen.
Bei gerader Sitzanzahl wird die Hälfte der Sitze über nationale Stimmen vergeben.
Für die Aufsichtsratssitze, die mit nationalen Stimmen gewählt werden, wird die Berechnung der Sitzverteilung zuerst ausgeführt, mit dem Verhältniswahl-Verfahren aus 4.1.1. Bei der Sitzverteilung auf internationaler Ebene wird darauf geachtet, dass eine Unternehmensliste durch die Aufteilung in nationale und internationale Auszählung nicht in einigen Aufsichtsräten zu viele Sitze bekommt. Beispiel:
Wenn bei der Sitzverteilung auf der internationalen Ebene eine Unternehmensliste einen Anspruch auf 1 Sitz in einem Aufsichtsrat bekommt, auf nationaler Ebene aber bereits 1 Sitz im gleichen Aufsichtsrat gewonnen hat, dann bekommt diese Unternehmensliste auch insgesamt nur 1 Sitz in diesem Aufsichtsrat.
b) Für die Aufsichtsratssitze, die mit nationalen Stimmen gewählt werden
(vergleiche a)), kann entschieden werden, dass für einzelne Unternehmen
die Sitzvergabe über nationale Stimmen entfällt. Die bisher nationalen Sitze werden dann international vergeben.
Dies wird mit Mehrheit in einem Gremium entschieden, in dem jeder Staat 1 Stimme hat (stärkt die Interessen
kleiner Staaten). Zusätzlich muss diese Mehrheit aus Staaten kommen,
aus denen zusammen eine Mehrheit der internationalen Stimmen aus a) kommt
(stärkt die Interessen größerer Staaten).
Beispiel für Anwendung: Ein großes internationales
Unternehmen hat seinen Hauptsitz in einem kleinen Staat, der in großer
finanzieller Abhängigkeit von diesem Unternehmen ist. Dadurch hat dieses Unternehmen einen großen Einfluss auf
die Regierung, die Bevölkerung und die Gesetzgebung, wodurch es unfaire Vorteile erreicht gegenüber
Unternehmen, die ihren Hauptsitz in anderen Staaten haben.
c) Der Stimmen-Anteil pro Staat könnte beschränkt werden auf maximal 12,5%
(oder mehr, solange nur wenige Staaten teilnehmen).
Als Ausgleich kann für einen großen Staat die Anzahl der Unternehmen verringert werden,
für die Aufsichtsratssitze durch internationale Stimmen besetzt werden.
Beispiel: Ein Staat hat 25% der Bevölkerung und 20%
der Unternehmen (auch wenn es statt 20% nur 9% wären, bliebe es bei 12,5% Anteil an den internationalen Stimmen für diesen Staat).
Bei 7,5% (20%-12,5%=7,5%) dieser Unternehmen
werden die Aufsichtsratssitze nur über Stimmen besetzt, die aus diesem Staat kommen.
Die genannten 7,5% sollten sich nicht auf die Anzahl der Unternehmen beziehen, sondern auf einen Wert,
der sich für jedes Unternehmen berechnet aus finanziellen Werten und der Anzahl der Beschäftigten.
d) Eine internationale parlamentarische Versammlung wählt ein Menschenrechts-Gremium, das bei Menschenrechts-Verstößen die Mitbestimmung der Bevölkerung einzelner Staaten verringern kann. Ein verurteilter Staat verliert pro Jahr z.B. bis zu 5% des normalen Stimmen-Anteils seiner Bevölkerung. Ein größerer Teil kann abgezogen werden, wenn sich nach diesem Gremium auch die parlamentarische Versammlung dafür mit 2/3-Mehrheit ausspricht. Mitglieder der parlamentarischen Versammlung, die die Staatsangehörigkeit des betroffenen Staates haben, können keine Stimme abgeben.
4.1.3 zusätzlich wenn Anteilseigner die Hälfte der Aufsichtsratssitze und -stimmen haben
Varianten, bei denen die Anteilseigner die Hälfte der Sitze und Stimmen haben, sind genannt
- in Abschnitt 3 für mittelgroße Unternehmen,
- in Abschnitt 4.2.c zu Unternehmen mit großem finanziellen Wert, die nur sehr wenige Beschäftigte haben
- und in Abschnitt "5.1 Europa" auch für große Unternehmen, mit Bezug auf eine Einführungsphase der 3‑Gruppen‑Mitbestimmung.
a) Wenn die Anteilseigner die Hälfte der Sitze und Stimmen im Aufsichtsrat haben, dann ist es angemessen, es möglichst unwahrscheinlich zu machen, dass Mitglieder der dritten Gruppe im Aufsichtsrat Stimmrecht haben,
- die den Anteilseignern besonders nahe stehen
- und von einem großen Teil der Bevölkerung oder der Beschäftigten stark abgelehnt werden.
Hier sind 2 Ansätze, dies zu erreichen:
Ansatz 1: Bei großen Unternehmen mit vielen Beschäftigten kann gelten, dass die dritte Gruppe nur 2 Sitze und Stimmen
im Aufsichtsrat hat, wenn die Anteilseigner die Hälfte der Sitze und Stimmen haben.
Beispiel: Ein Aufsichtsrat hat 20 Sitze und Stimmen, davon 10 für die Anteilseigner, 8 für die Beschäftigten
und 2 für die dritte Gruppe.
Im Vergleich zum Mitbestimmungsgesetz von 1976 (siehe 1.2) ist hier anders:
- 2 Anteilseigner-nahe Stimmen entfallen:
- Ein Aufsichtsratsvorsitz mit doppeltem Stimmrecht kann nicht mehr allein von den Anteilseignern gewählt werden.
- Die leitenden Angestellten haben keine eigene Stimme mehr.
- Die Beschäftigten verlieren 1 Stimme (würde die Stimme der leitenden Angestellten mitgezählt, wären es 2), wenn die Anzahl der Sitze nicht erhöht wird.
- Die 2 Stimmen der dritten Gruppe sind neu.
Ansatz 2: Aufsichtsrats-Mitglieder können beschließen, dass bestimmte
Mitglieder der dritten Gruppe kein Stimmrecht in einem Aufsichtsrat haben
(diese Mitglieder bleiben aber Mitglied eines Aufsichtsrats). Gleichzeitig verlieren
dann gleich viele Mitglieder der Anteilseigner ihr Stimmrecht (z.B. Mitglieder, die
bei einer Wahl am wenigsten Stimmen bekommen haben; oder entsprechend einem Losverfahren
oder einem anderen von den Anteilseignern gewählten Verfahren).
Alternativen, dies zu beschließen:
- Alternative 1: Aufsichtsrats-Mitglieder der dritten Gruppe können dies mit einer ⅔-Mehrheit beschließen (auch für mehrere Aufsichtsräte gemeinsam).
- Alternative 2, wenn ein Unternehmen viele Beschäftigte hat (und nur 2 Aufsichtsrats-Mitglieder der dritten Gruppe hat):
Dies wird im Aufsichtsrat beschlossen
mit der Hälfte der Stimmen der dritten Gruppe und der Mehrheit der Stimmen
der Beschäftigten.
Ergänzend:- Optional, wenn Anteilseigner es fordern, könnte zusätzlich die Zustimmung (mit einfacher Mehrheit) von Menschen nötig sein, die per Zufallsverfahren ausgewählt wurden. In dem Fall müssen knappe Entscheidungen des Aufsichtsrats vertagt werden bis zu dieser Abstimmung.
- Eine eventuelle Aufhebung dieses Stimmrecht-Entzugs könnte es geben mit einer Mehrheit der Stimmen der dritten Gruppe oder einer Mehrheit der Stimmen der Beschäftigten.
Zum Vergleich: Es ist nicht ungewöhnlich, wenn in der Hauptversammlung eines Unternehmens alle Aufsichtsrats-Mitglieder der Anteilseigner gewählt werden können mit einfacher Mehrheit des stimmberechtigten Kapitals.
b) Die Mitbestimmung, bei der die Anteilseigner die Hälfte der Sitze und Stimmen haben und
die dritte Gruppe 2 Sitze und Stimmen hat, wird im Folgenden als
"bescheidene" 3‑Gruppen-Mitbestimmung bezeichnet.
Diese bescheidene 3‑Gruppen-Mitbestimmung ist stärker als die Mitbestimmung des Mitbestimmungsgesetzes von 1976
(welche beschrieben ist in 1.2), aber weniger weitgehend
als die Montanmitbestimmung, die in Unternehmen der Eisen und Stahl
erzeugenden Industrie mit über 1000 Beschäftigten gilt. Die Montanmitbestimmung ist seit
vielen Jahrzehnten das Vorbild für gewerkschaftliche Forderungen für andere Großunternehmen.
Bei der Montanmitbestimmung haben Anteilseigner und Beschäftigte gleich viele Sitze und Stimmen im
Aufsichtsrat, und beide Gruppen wählen gemeinsam noch eine neutrale Person hinzu. Im Vergleich zur
bescheidenen 3‑Gruppen-Mitbestimmung ist die Montanmitbestimmung weitergehend, da die
Stimmen der Nicht‑Anteilseigner bei der Montanmitbestimmung zu nur einer Interessengruppe
(den Beschäftigten) gehören, wodurch Widerstand gegen Pläne der Anteilseigner einfacher ist. Die
bescheidene 3‑Gruppen-Mitbestimmung ist also weniger weitgehend als eine bereits
existierende gesetzliche Mitbestimmung für private Großunternehmen in Deutschland. Das ist
bedeutend dafür, wie einfach die bescheidene 3‑Gruppen-Mitbestimmung gesetzlich umzusetzen ist.
c) Zur Pattauflösung zwischen Anteilseignern einerseits und Beschäftigten und dritter Gruppe andererseits kann eines der folgenden Verfahren angewandt werden (oder alle zusammen bei mehreren Wahldurchgängen, in dieser Reihenfolge):
- Es wird eine neutrale Person in den Aufsichtsrat hinzugewählt durch die Aufsichtsratsmitglieder: Die neutrale Person muss von allen 3 Gruppen mindestens die Hälfte der Stimmen bekommen.
- Es wird eine neutrale Person in den Aufsichtsrat hinzugewählt durch die Aufsichtsratsmitglieder: Die neutrale Person muss 2/3 der Stimmen bekommen.
- Es wird das Verfahren in "4.4 Aufsichtsrats-Vorsitz" angewandt.
4.2 Beschäftigte: Verteilung ihrer Aufsichtsratssitze
a) Mindestens die Hälfte bis maximal alle außer 1 der Aufsichtsratsmitglieder der Beschäftigten werden von den Beschäftigten des Unternehmens gewählt.
- Nur die Hälfte sind es dann, wenn es einen Einzelfall gibt entsprechend dem 2. Punkt bei b).
- Den Beschäftigten des Unternehmens steht es frei, ob sie diese Aufsichtsratsmitglieder von innerhalb des Unternehmens oder von außerhalb wählen. Damit können sie z.B. flexibel mal mehr und mal weniger externe Gewerkschafts-Mitglieder wählen.
b) Mindestens 1 bis maximal die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder der Beschäftigten wird von Gewerkschaften gewählt:
- Direkt von Gewerkschaften gewählt wird standardmäßig mindestens 1 Aufsichtsratsmitglied.
- Es macht Sinn, dass in besonderen Fällen die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder der Beschäftigten direkt von Gewerkschaften gewählt werden.
Beispiel: Finanz- oder Hochtechnologie-Unternehmen mit besonders gut verdienenden Beschäftigten. Solche Unternehmen können einen großen Einfluss
auf die Gesellschaft ausüben und damit auf die große Anzahl schlechter verdienender Beschäftigter in anderen Unternehmen.
Die Interessen dieser schlechter verdienenden Beschäftigten werden durch den direkten Zugriff der Gewerkschaften gestärkt.
Damit die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder der Beschäftigten direkt durch Gewerkschaften gewählt sind (zum Nutzen siehe auch „4.4 Aufsichtsrats-Vorsitz“), kann dies in Einzelfällen in Gewerkschafts-Versammlungen mit 2/3-Mehrheit durchgesetzt werden:
- ohne Zeitbegrenzung in einer zentralen internationalen Versammlung
- oder mit Zeitbegrenzung in einer kleineren, untergeordneten Versammlung; dort soll auch schneller entschieden werden können.
Für diese Einzelfälle gilt außerdem: Im Aufsichtsrat wird eine ungerade Anzahl von Mitgliedern der Beschäftigten verringert zu einer geraden Anzahl, es wird also 1 Mitglied weniger: Wenn ein Aufsichtsrat z.B. normalerweise 5 Mitglieder der Beschäftigten hat, bleiben nun nur 4, davon 2 direkt von Gewerkschaften gewählt.
c) Abweichend von a) und b) könnte es eine zusätzliche Regelung geben für Unternehmen mit großem finanziellen Wert,
die nur sehr wenige Beschäftigte haben: Die Beschäftigten haben nur 1 Aufsichtsratsmitglied, und zwar eines, das direkt von Gewerkschaften
gewählt wurde. Und die Anteilseigner bekommen einen zusätzlichen Sitz.
Beispiel: Das Verhältnis Anteilseigner:Beschäftigte:DritteGruppe ist statt 3:3:3 nun 4:1:3.
4.3 Anteilseigner: viele unterschiedliche Wahlverfahren möglich
Das Wahlverfahren für die Aufsichtsratssitze der Anteilseigner kann unterschiedlich sein in verschiedenen Staaten. Es kann im gleichen Staat unterschiedlich
sein für verschiedene Unternehmens-Formen. Als Beispiel sind hier 2 Extreme genannt:
Beispiel 1: Eine einzige Person hat die Mehrheit der Anteile eines Unternehmens und entscheidet alleine, wer für die Anteilseigner in den Aufsichtsrat kommt.
Beispiel 2: Das Unternehmen ist im Besitz der dort arbeitenden Beschäftigten. Diese Beschäftigten wählen also alle Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner
sowie die Aufsichtsratsmitglieder der Beschäftigten gemäß 4.2.a in den Aufsichtsrat.
4.4 Aufsichtsrats-Vorsitz
- Wenn es keine 2/3-Mehrheit gibt bei der Wahl der Person, die den Aufsichtsrats-Vorsitz bekommen soll,
dann wird diese alleine von den Aufsichtsratsmitgliedern der dritten Gruppe gewählt
(sie sind die neutralste Gruppe).
Wenn es in der dritten Gruppe nach 2 Wahlgängen für keine Person eine Mehrheit gibt, dann geht dieses Wahlrecht auf eine der anderen beiden Gruppen über. - Bei Stimmen-Gleichheit hat die Person, die den Aufsichtsrats-Vorsitz hat, eine zusätzliche Stimme bei der Wiederholung einer Abstimmung.
(Alternative Lösung: Bei Stimmengleichheit haben alle Aufsichtsratsmitglieder der dritten Gruppe eine zusätzliche Stimme bei der Wiederholung einer Abstimmung.)
Diese Regelung kann hilfreich sein zur Auflösung eines Patts bei Abstimmungen im Aufsichtsrat, z.B.
- wenn die Anteilseigner die Hälfte der Sitze und Stimmen haben (vergleiche 4.1.3)
- oder bei Anwendung von 4.2.b.2
(und wenn Anteilseigner und dritte Gruppe gleich viele Stimmen haben), wenn es eine Stimmengleichheit gibt zwischen
- einerseits allen Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner zusammen mit jenen Mitgliedern der Beschäftigten, welche nur von den Beschäftigten des betreffenden Unternehmens gewählt werden,
- und andererseits allen Aufsichtsratsmitgliedern der dritten Gruppe zusammen mit jenen Mitgliedern der Beschäftigten, welche über Gewerkschaften auch von Beschäftigten von außerhalb des betreffenden Unternehmens gewählt werden. (Obwohl auch die Anteilseigner in der Minderheit sind, kann zu den Stimmen der dritten Gruppe angewandt werden: 4.1.3.a Ansatz 2 Alternative 1)
4.5 Ergänzungen
- Vielleicht sollte es für einige Fälle ein alternatives Wahlverfahren geben, bei dem es die dritte Gruppe nicht gibt. Dies könnte sinnvoll sein für Unternehmen, deren zentrale Aufgaben Meinungsbildung und Informations-Vermittlung sind. Siehe Anhang C.1.
- Bei einigen Unternehmen könnte der Wunsch bestehen, Entscheidungen wie z.B. die Vorstandswahl nicht indirekt über den Aufsichtsrat zu machen, sondern über direkte Wahlen und Entscheidungen. Zu Möglichkeiten hierzu siehe Anhang C.2.
5. Durchsetzung
5.1 Europa
Zunächst einmal muss der Kern dieses Vorschlags (siehe Einleitung) breit diskutiert werden. Dann kann darauf hingearbeitet werden, dass in der EU ein Gesetz beschlossen wird, das Elemente dieses Vorschlags hat. Dieses Gesetz könnte beschlossen werden im Rahmen der „verstärkten Zusammenarbeit“, die für mindestens 9 EU-Staaten zusammen angewandt wird. Für den Anfang könnte in vielen EU-Staaten gelten:
- Die Bevölkerung kommt als dritte Gruppe in die Aufsichtsräte großer Unternehmen.
- Standardmäßig haben die Anteilseigner die Hälfte der Stimmen im Aufsichtsrat bei den größten Unternehmen.
- Unter bestimmten Voraussetzungen allerdings haben alle 3 Gruppen ein Drittel der Stimmen:
- wenn ein Unternehmen mehrheitlich in staatlichem Besitz ist;
- wenn ein Unternehmen besondere staatliche Unterstützung in Anspruch nimmt;
- oder wenn ein Unternehmen dies freiwillig einführt. Diese Freiwilligkeit kann z.B. dadurch gefördert werden, dass es unterschiedliche Steuersätze bei der Unternehmens-Besteuerung gibt, je nach dem Grad an Mitbestimmung eines Unternehmens. Oder dadurch, dass der Grad der Mitbestimmung bei Einkäufen berücksichtigt wird. Oder durch unternehmensspezifische Verbrauchsteuern (um auch Lieferketten zu berücksichtigen für die Höhe der Verbrauchsteuern, können Blockchains oder Holochains genutzt werden).
Das oben genannte EU-Gesetz sollte später aufgehen in eine Rechts-Grundlage, die international unabhängig von der EU existiert und auch in Staaten außerhalb der EU gilt.
5.2 Unternehmen aus Staaten ohne diese Mitbestimmung
Unternehmen, die ihren Hauptsitz nicht in einem Staat mit dieser Mitbestimmung haben,
können daran interessiert sein, eine solche Mitbestimmung bei sich einzuführen,
z.B. wenn diese Mitbestimmung bei staatlichen oder privaten Einkäufen eine Rolle spielt oder bei Steuern.
Für solche Unternehmen sind spezielle Regelungen notwendig:
- Die Aufsichtsratsmitglieder der dritten Gruppe werden etwas anders gewählt: Bei der Wahl gemäß 4.1 gibt es nicht die nationale Auszählung der Stimmen, die in 4.1.2.a genannt ist (trotzdem können Aufsichtsratsmitglieder aus dem Staat kommen, in dem das Unternehmen seinen Hauptsitz hat).
- Durch einen Beschluss der Hauptversammlung des Unternehmens wird diese Mitbestimmung in der Unternehmens-Satzung festgeschrieben.
Anhang:
A. Eigentum und Verfassung/Grundgesetz
Beim Eigentum können bezüglich großer Unternehmen 2 Bereiche unterschieden werden:
- der finanzielle Wert eines Anteils ("vermögensrechtliches Element");
- das Recht, die Entscheidungen eines Unternehmens zu beeinflussen ("mitgliedschaftsrechtliche Befugnisse").
In einem Urteil zur Mitbestimmung hat das deutsche Verfassungsgericht in Zusammenhang mit §14 ("Eigentum,...") des Grundgesetzes geschrieben:
Hinsichtlich der Eigentumsgarantie sind jedoch im Wesentlichen nur die mitgliedschaftsrechtlichen Befugnisse der Anteilseigner betroffen, während das vermögensrechtliche Element des Anteilseigentums nicht berührt ist. Außerdem fällt der nur wenig ausgeprägte personale Bezug der Anteilsrechte in ihrer mitgliedschaftsrechtlichen Bedeutung ins Gewicht
(Aus der Begründung eines Urteils von 1999 zur Montan-Mitbestimmung; siehe
BverfG, 1 BvL 2/91 vom 2.3.1999, Absatz-Nr. 77, https://www.bverfg.de.
Siehe auch ein Urteil von 1979 zum Mitbestimmungsrecht von 1976; BverfGE 50,
290 [341 ff.].)
Aus einem Urteil zum Mitbestimmungsgesetz von 1976:
-
Während im vorigen Zitat steht, dass das vermögensrechtliche Element des Anteilseigentums „nicht berührt ist“,
ist die Formulierung bei diesem Urteil zum Mitbestimmungsgesetz von 1976 nicht so absolut:
Es wird darauf hingewiesen, dass das Vermögensrecht durch das Mitgliedsrecht „vermittelt“ wird. Und Mitbestimmungsvorschriften wirken sich in erster Linie auf Verfügungsbefugnisse der Anteilseigner aus und „allenfalls in zweiter Linie“ auf den Vermögenswert des Anteilsrechts. - „Anders als der Unternehmer-Eigentümer vermag der Anteilseigner mit seinem Eigentum nur mittelbar zu wirken; die vermögensrechtliche Haftung für die wirtschaftlichen Folgen von Fehlentscheidungen ... bezieht sich auf einen eingegrenzten Teil seiner Vermögenssphäre.“
B. zu 1.2 ("...existierenden Verfahren in deutschen Unternehmen,...")
B.1 Bei der genannten Regelung (aus dem Mitbestimmungs-Gesetz von 1976) ist noch zu ergänzen: Eine der Personen, die von den Beschäftigten in den Aufsichtsrat gewählt werden, wird von den leitenden Angestellten vorgeschlagen: über eine Wahlliste, auf der nur 2 Personen sind. Und diese leitenden Angestellten haben jeweils 2 Stimmen bei der Aufstellung dieser Liste.
B.2 Ein Sonderfall ist die Montan-Mitbestimmung. Die Montanmitbestimmung gilt für Unternehmen der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie mit über 1000 Beschäftigten. Sie hat folgende Regelung:
Im Aufsichtsrat haben Anteilseigner und Beschäftigte gleich viele Stimmen, zusätzlich wird von beiden Gruppen gemeinsam eine "neutrale" Person gewählt.
Diese Regelung könnte auf alle Unternehmens-Felder ausgeweitet werden.
Auch diese Regelung hat Nachteile gegenüber meinem Vorschlag:
- z.B. bei "Finanz- oder Hochtechnologie-Unternehmen mit besonders gut verdienenden Beschäftigten" (vergleiche 4.2). Solche Unternehmen können einen großen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben und damit auf die große Anzahl schlechter verdienender Beschäftigter in anderen Unternehmen. Durch die Montan-Mitbestimmung können diese schlechter verdienenden Beschäftigten und die Gesellschaft auf solche Unternehmen keinen Einfluss ausüben; durch meinen Vorschlag dagegen schon.
- Gesellschaftliche Interessen, die im Konflikt "Anteilseigner gegen Beschäftigte" nur nachrangige Bedeutung haben, werden nicht angemessen berücksichtigt.
- Viele der in 2.2 genannten Vernetzungen und Wirkungen zur Demokratisierung der Wirtschaft werden damit nicht erreicht.
Zu ergänzen ist: Die "neutrale" Person wird laut Gesetz nicht völlig neutral gewählt. Über eine Regelung, die zweimal über ein Gericht geht, können die Anteilseigner ohne die Beschäftigten entscheiden. In der Praxis hat dies offenbar keine große Bedeutung.
C. alternative und direktere Wahl- und Entscheidungsverfahren
C.1 Presse / Medien / Nachrichten: Damit unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen besser dargestellt werden können, könnte es sinnvoll sein, dass diese 3‑Gruppen‑Mitbestimmung nicht in allen großen Medienunternehmen angewandt wird. Falls es eine solche Ausnahme geben soll (als freiwillige Alternative), dann muss sie etwa folgende Beschränkungen haben, damit eine Machtkonzentration auf wenige Personen verhindert wird:
- Das Unternehmen muss eine Genossenschaft sein, d.h. jedes Genossenschafts-Mitglied hat die gleiche Anzahl von Stimmen. Wer also eine größere finanzielle Einlage macht, hat nicht mehr Stimmen. (Für Genossenschaften in anderen Unternehmens-Bereichen gibt es diese Ausnahme von der 3‑Gruppen‑Mitbestimmung nicht.)
-
Ein großes Unternehmen muss mehr als 100.000 Genossenschafts-Mitglieder haben. Oder detaillierter:
große Unternehmen mittelgroße Unternehmen Mitglieder über 100.000 10.000 bis 100.000 Beschäftigte über 1000 100 bis 1000 finanzielle Werte über A 1/10 A bis A
Die zentrale Aufgabe des Unternehmens muss Informations-Vermittlung und Meinungsbildung sein.
C.2 direkte + indirekte Abstimmungen bei der 3‑Gruppen‑Mitbestimmung: Bei einigen Unternehmen kann es den Wunsch geben, bei einigen Abstimmungen nicht im repräsentativen Aufsichtsrat zu entscheiden, sondern einen direkt-demokratischen Weg zu gehen. Möglichkeiten hierzu:
- Z.B. bei der Wahl des Unternehmens-Vorstands könnten die Anteilseigner und die Beschäftigten des Unternehmens selbst wählen. Ihre Stimmen werden gewichtet entsprechend ihrem Stimmenverhältnis im Aufsichtsrat.
- Ein solches Verfahren ist nicht sinnvoll bei den Aufsichtsratsmitgliedern der dritten Gruppe und bei den Aufsichtsratsmitgliedern der Beschäftigten gemäß 4.2.b. Aber sie können ihr Stimmrecht freiwillig abgeben. Zum Beispiel kann jedes Aufsichtsratsmitglied der dritten Gruppe freiwillig für einzelne Abstimmungen das Abstimmungsrecht abgeben an alle Beschäftigte oder alle Anteilseigner. So kann z.B. einzeln für jedes Unternehmen darauf reagiert werden, ob eher eine sehr enge Zusammenarbeit mit den Anteilseignern angebracht ist (z.B. weil das Unternehmen eine Genossenschaft ist und ein großer Anteil der Wähler:innen eines Aufsichtsratsmitglieds der dritten Gruppe Genossenschafts-Mitglieder und deren Verwandte und Bekannte sind) oder eher eine größere Distanz zu ihnen.
C.3 lokale Versorgungsunternehmen für Energie und Wasser: Bei diesen kann abgewogen werden, ob eher C.1 oder eine 3‑Gruppen‑Mitbestimmung angemessen ist (beide Alternativen sind auch für Unternehmen in kommunalem Besitz möglich). Es könnte an eine Lösung ähnlich wie in C.1 gedacht werden, die Verbraucher:innen entsprächen dann den Genossenschafts-Mitgliedern. Allerdings werden Energie und Wasser oft nicht an den Orten gewonnen, wo die Kunden eines Versorgungsunternehmens wohnen. Dies spricht eher für die Anwendung einer 3‑Gruppen‑Mitbestimmung, da über die Aufsichtsratsmitglieder der dritten Gruppe auch die Menschen vertreten werden können, die bei den Quellen von Energie und Wasser wohnen.
D. kleinere mittelgroße Unternehmen
Es macht einen großen Unterschied, ob ein Unternehmen mit 100 Beschäftigten
- alle Beschäftigte in einer einzigen kleinen Gemeinde hat
- oder diese Beschäftigten in 10 Großstädten verteilt sind.
Bei ersterem Fall ist ein Interesse an Mitbestimmung in der Bevölkerung sicherlich größer (falls es im 2. Fall keine Besonderheiten gibt).
Dementsprechend könnte es bei Unternehmen mit 100-500 Beschäftigten (bzw. einem entsprechendem finanziellen Wert) Regelungen geben, durch die es nur optional ist, dass es in diesen Unternehmen eine Mitbestimmung mit 3 Gruppen gibt. Damit es bei diesen Unternehmen eine solche Mitbestimmung gibt, ist eine Abstimmung nötig: durch die Bevölkerung oder durch die Beschäftigten.
Abstimmung durch die Bevölkerung:
Auf Antrag von 1000 Unterstützern und Unterstützerinnen werden durch ein Zufallsverfahren
Menschen bestimmt, die mit einfacher Mehrheit
darüber entscheiden, ob diese Mitbestimmung in einem Unternehmen eingeführt wird. Dem Stimmzettel
sind als Entscheidungshilfe jeweils ein Text der Unterstützer:innen und der Anteilseigner beigefügt.
Abstimmung durch die Beschäftigten:
Wenn 10% der Beschäftigten eines Unternehmens es fordern, dann findet eine Abstimmung statt,
bei der die Beschäftigten mit einfacher Mehrheit entscheiden.
Entweder bis zur Ablehnung oder bei Erfolg bis zur Einführung dieser Mitbestimmung einschließlich Vorstandswahl gilt: Die Initiatoren sind geschützt vor Entlassung, und das Unternehmen darf seinen Hauptsitz nicht in einen anderen Staat verlegen.
E. ergänzende Punkte
Zusätzlich soll gelten:
- Unternehmensgewinn: Der Aufsichtsrat entscheidet über die Verwendung des Unternehmensgewinns.
- Kapitalerhöhung und -herabsetzung (z.B. Ausgabe neuer Aktien): Hierfür sind Mehrheiten nötig im Aufsichtsrat und der Anteilseignerversammlung.
- Verlagerung des Hauptsitzes eines Unternehmens in ein anderes Land: Hierfür sind Mehrheiten nötig im Aufsichtsrat und der Anteilseignerversammlung.
- Letztentscheidungsrecht: Das "Letztentscheidungsrecht" der Hauptversammlung (Versammlung der Anteilseigner) eines Unternehmens, das es gemäß § 111 IV AktG in Deutschland gibt, wird abgeschafft. Dieses Gesetz ermöglicht, dass der Unternehmensvorstand bestimmte Entscheidungen, wenn der Aufsichtsrat nicht zustimmt, der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlegen kann.
Für 1. bis 3. kann zusätzlich die direktere Mitbestimmung gemäß C.2 angewandt werden.